: Bitte links einordnen
SPD-kompatibler GAL-Wahlkampf? Linkes Gegenpapier zur Realo-Strategie: Lieber ein paar Prozentpunkte weniger ■ Von Silke Mertins
Ein Papier kommt selten allein: Auch die GALische Linke hat schriftlich verewigt, was zum Bürgerschaftwahlkampf 1997 unter grüner Politik für Hamburg zu verstehen ist. „Einige persönliche Ausgangsthesen“ heißt das sechsseitige Schreiben des Bürgerschafts-abgeordneten Alexander Porschke, das in der GAL als Gegenrede zum Strategiepapier des GAL-Fraktionschefs und Krista-Sager-Vertrauten Willfried Maier gehandelt wird (taz berichtete gestern).
Es sei „wenig sinnvoll“, sich beim „Ehrgeiz des Erreichens bestimmter Wahlergebnisse überflügeln zu wollen“, schreibt Porschke. Erschwerend komme hinzu, „daß die rot-grüne Koalitionspraxis in anderen Bundesländern wenig Ausstrahlung als Reformprojekt“ erkennen ließe. „Schon deshalb verbietet sich ein Wahlkampf, der Rot-Grün als reformpolitischen Phoenix aus der Asche des Hamburger Filzes erscheinen ließe.“
Während Maier für den Wahlkampf Ziele definieren will, die sich mit Rot-Grün auch verwirklichen lassen, bedauert Porschke den schlechten Zustand linker Identität. Die „Erosion des gemeinsamen linken Gedankenguts“ wirke sich „belastend“ auf „rot-grüne Perspektiven“ aus. Statt um Politickonzepte ginge es zunehmend um „Milieueinbindung“ von „Linken und Halblinken“.
Zwar teilt Porschke die Realo-Auffassung, daß man um die drängenden Probleme von Arbeit und Arbeitslosigkeit als Wahlkampfthema nicht herumkomme. Doch die GALische Stärke sei das Thema Umwelt. Er plädiert deshalb dafür, „die ökologische Zukunftsfähigkeit“ zum zentralen Thema zu machen: „Dazu gehören die Kritik an der Atomkraftnutzung ebenso wie Vorschläge zur Energie- und Verkehrswende.“
„Verhinderungsthemen“ wie Altenwerder oder Elbvertiefung lehnt Maier – der sein Wahlkampfkonzept mit der designierten Spitzenkandidatin Krista Sager abgestimmt hat – entschieden ab. Zur Empörung der Parteilinken: „Fast erleichtert“ würde Maier feststellen, „daß die beiden Projekte praktisch durch sind und wir nur noch ein wenig Kosmetik betreiben können“, so der GAL-linke Bürgerschaftler Norbert Hackbusch. Doch „Verhinderungsstrategie war immer Kern GALischer Identität“, etwa bei AKWs oder neuen Autobahnen. Außerdem: „Die Gerechtigkeitslücke durch Gemeinwesenarbeit schließen zu wollen, ist bei erster Betrachtung Unfug“ und auf den zweiten Blick „eine sehr bedrohliche Gedankenwelt.“ Statt Maier den „Charme verstaubter altherrlicher Weisheiten“ verbreiten zu lassen, solle sich die GAL auf verkehrpolitische „Lustobjekte“ konzentrieren: Spielstraßen, Fahrradwege, In-Line-Skating-Strecken usw. Fatal sei zudem das Fehlen von „Kernbereichen GALischer Identität“ in Maiers Papier.
Zur „privaten Äußerung“ Maiers deklassiert die GAL-Landessprecherin Antje Radcke das Realo-Papier. Die hierin formulierten Ziele seien ihr „zu wenig grün“, und Altenwerder sei „keineswegs erledigt“. Außerdem frage sie sich, seit wann die GAL sich für Elitenbildung an den Hochschulen (Maier: „Exzellenzpotentiale“ fördern) einsetze. Oder wie man als Grüner unter Umverteilung von Arbeit und Vermögen „Gemeinwesenarbeit“ verstehen könne. „Ärgerlich“ ist Radcke vor allem über Maiers Versuch, „einen SPD-kompatiblen Wahlkampf“ zu führen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen