piwik no script img

„Bislang die schwierigste Kraftprobe“

■ Trotz der schweren Krise zwischen Israel und dem Libanon sind alle Delegationen zur vierten Runde der bilateralen Nahost-Verhandlungen in den USA angereist/ Wenig Verhandlungsspielraum

Tel Aviv/Amman (taz) — Heute beginnt in Washington die vierte Runde der bilateralen Nahost-Verhandlungen zwischen Israel, den Palästinensern, Jordanien, Syrien und dem Libanon. Trotz der schweren Kämpfe im Südlibanon sind alle Beteiligten pünktlich zu den Verhandlungen in den USA eingetroffen. Politische Beobachter in Israel gehen jedoch davon aus, daß es zu keinerlei Bewegung in den Gesprächen kommen wird. Die israelische Delegation hat keinen Spielraum für Verhandlungen mit den arabischen Delegationen: Offiziell wurde bestätigt, daß sie nicht ermächtigt ist, Gespräche über eine „Autonomie“ der Palästinenser in den besetzten Gebieten zu beginnen; sie soll lediglich den von den Palästinensern dazu ausgearbeiteten Vorschlag zurückweisen. Auch über die Frage eines Siedlungsstopps in der Westbank und im Gaza-Streifen soll sie nicht verhandeln.

Mit der libanesischen Delegation werden die israelischen Unterhändler über gemeinsame Schritte zur Entspannung der Lage im Südlibanon sprechen. Die Regierung Schamir verlangt von der libanesischen Regierung, den Druck auf Hizbollah weiter zu erhöhen, um militärische Aktionen gegen die israelischen Besatzungstruppen und die von Israel finanzierte Südlibanesische Armee (SLA) im Südlibanon ebenso zu unterbinden wie Angriffe auf den Norden Israels. Für den naheliegenden Fall, daß die libanesischen und syrischen Delegationen erneut einen Abzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon verlangen, soll sich Israel bereits der Unterstützung Washingtons vergewissert haben.

Nach Einschätzung von Mitgliedern der arabischen Delegationen wird die anstehende Gesprächsrunde die „schwierigste Kraftprobe“ seit dem Beginn der Verhandlungen. „Die Araber werden diesmal darauf bestehen, daß die eigentlich wichtigen Themen diskutiert werden: Siedlungsstopp und der Rückzug Israels von arabischen Territorien. „Durch ihre Politik der Eskalation zielte die israelische Regierung darauf ab, die Sicherheit der Grenzen Israels und den ,Terrorismus‘ in den Vordergrund der Gespräche zu rücken“, sagte ein Mitglied der palästinensischen Delegation, „und unsere Antwort darauf ist ganz klar: Es hat keinen Sinn, über die Folgen der Konflikte zu sprechen, solange man die Ursachen tabuisiert. Der ,Terrorismus‘ und die Unsicherheit der israelischen Grenzen sind das Ergebnis der israelischen Besatzung.“

Zwischen den arabischen Beteiligten fand während der letzten Wochen ein wahres Beratungsmarathon statt, um endlich zu gemeinsamen Positionen zu kommen. Vor allem die PLO befleißigte sich lebhafter Reisediplomatie zwischen den arabischen Hauptstädten. Während der vorangegangenen Nahost-Gesprächsrunden kam es immer wieder zu Spannungen in den innerarabischen Beziehungen. Insbesondere das Verhältnis zwischen Syrien und Jordanien hat sich seit dem ersten multilateralen Nahost-Treffen in Moskau verschlechtert. Syrien und Libanon boykottierten diese Gespräche. Begründung: Solche Verhandlungen seien ohne Fortschritte in den bilateralen Gesprächen sinnlos. Jordanien, Ägypten und andere arabische Staaten nahmen hingegen teil. Auch die Palästinenser waren nach Moskau gekommen, wurden aber wegen der Zusammensetzung ihrer Delegation ausgeschlossen.

Der jordanische Außenminister Kamal Abu Jaber hat während der letzten Tage versucht, die Beziehungen zu Damaskus wieder etwas zu glätten. Immerhin habe man für die anstehende Runde Absprachen zwischen Syrien, Jordanien, dem Libanon und den Palästinensern zustande gebracht, erklärten Politiker in der jordanischen Hauptstadt Amman. Zwischen Syrien und der PLO gilt, daß das syrische Verhandlungsteam sich gegenüber den Israelis erst konzessionsbereit zeigen wird, wenn es zu einem tatsächlichen Fortschritt in den Gesprächen zwischen Israel und den Palästinensern kommt. Auch die übrigen arabischen Beteiligten hätten eine Unterstützung der palästinensischen Position zugesichert, hieß es aus Kreisen der PLO. Dies dürfte sich vor allem auf den Stopp der Siedlungspolitik und den für diese Verhandlungsrunde vorbereiteten palästinensischen „Autonomie“-Plan beziehen, der in den besetzten Gebieten die Schaffung eigenständiger Regierungsorgane als Vorstufe für die Gründung eines palästinensischen Staates vorsieht.

In den arabischen Hauptstädten mehren sich die Stimmen, die einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen fordern, wenn die USA Israel die geforderten Kreditgarantien gewähren. Wie aus gut informierten Kreisen verlautete, forderten die USA die arabischen Regierungen kürzlich schriftlich auf, die Kreditfrage nicht öffentlich zu diskutieren. Man solle sich auf die „stille amerikanische Diplomatie“ verlassen. Die an den bilateralen Gesprächen arabischen Beteiligten haben gefordert, die Entscheidung über die Kreditgarantien auf die Zeit nach den israelischen Wahlen zu verschieben. Damit sollen die Chancen für einen Wahlsieg der oppositionellen Arbeiterpartei unter dem neu gewählten Vorsitzenden Rabin verbessert werden. Er erklärte letzte Woche, im Falle seines Wahlsieges werde der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten eingestellt. K.A./N.C.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen