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Biologische Neutronenbombe

■ Der Dokumentarfilm "Killerviren im Nebel" geht der Herkunft des geheimnisvollen Ebola-Virus nach. Einiges spricht dafür, daß er ein Abfallprodukt militärischer Biowaffenforschung ist (21.15 Uhr, West 3)

Im Mai letzten Jahres geriet eine neuartige Viruserkrankung in die Schlagzeilen. In der zairischen Stadt Kikwit grassierte das Ebola- Virus und mit ihm ein Fieber, das nach nur dreitägiger Inkubationszeit Blutgefäße und innere Organe des Menschen zu einer schleimigen Masse zersetzte und mit dieser Rapidität selbst Experten schockierte. Nachdem 153 von 205 Infizierten auf diese Weise gestorben waren, erfolgte überraschend die Entwarnung. Ebola verursacht keine Pandemie wie Aids; die Opfer sterben nämlich so rasch, daß ihnen weder Zeit noch Kraft bleibt, den Ort zu wechseln, um das Virus zu verbreiten.

Der Medientornado, den das Virus inzwischen ausgelöst hatte, ebbte ebenso schnell wieder ab. Der Boom der „Spezial“-Sendungen und „Brennpunkte“ fand ein schnelles Ende, mangels Material – und wiederholte damit exakt den Ablauf der Seuche. Mit dem Film zum Virus hatte das Kinopublikum den Ernstfall bereits zwei Monate zuvor überstanden. Wolfgang Petersens Hollywoodfilm „Outbreak“ immunisierte auch die Medien gegen das aufkommende Virenthema.

Diese Einführung der Seuche in die Öffentlichkeit und ihre gleichzeitige Verharmlosung durch Spielfilm und Berichterstattung nehmen die Dokumentarfilmer Malte Rauch und Heimo Claasen zum Anlaß, das Thema mit „Killerviren im Nebel“ von einer anderen Seite her aufzurollen. Daß das Virus sich nicht epidemisch ausbreitet, so ihre These, sei nämlich kein Grund für Entwarnung, sondern im Gegenteil alarmierend. Weil mit den Infizierten auch das Virus rasend schnell stirbt, sind die Orte, an denen die Seuche ausbricht, unmittelbar danach wieder bewohnbar. Das Virus wirkt also exakt wie eine biologische Neutronenbombe, die Menschen tötet, ohne ihre Umgebung zu zerstören.

Rauch und Claasen gingen daher der Frage nach, ob Ebola nicht ein (Abfall-)Produkt militärischer Biowaffenforschung ist. Sie befragten Ebola-Mitentdecker Dr. Peter Piot von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Piot war Mitglied einer US-Expedition, die das Ebola-Virus untersuchen sollte, als es 1976 erstmals in einem Missionskrankenhaus in Yambuku, Zaire, ausgebrochen war. Vor allem aber fanden die Autoren eine andere Teilnehmerin dieser Expedition, und sie bestätigte ihnen, daß die Reise damals militärisch organisiert und finanziert wurde, in Zusammenarbeit mit Diktator Mobutus amerikanischem Leibarzt William T. Close (dem Vater der Schauspielerin Glen Close).

Das Virus brach 1976 gleichzeitig noch an einem zweiten Ort aus, im Süden Sudans. Hier war geplant, daß die Briten von ihrem Biowaffenzentrum Porton Down aus eingreifen. Doch der westdeutsche Tropenarzt Jürgen Knobloch kam ihnen damals zuvor und entnahm den Opfern Gewebeproben. Die Briten ließen Knobloch vom sudanischen Militär verhaften, sein Material landete im britischen Militärlabor von Porton Down. Vor der Kamera findet der Tübinger Professor das heute nicht weiter wild. Schließlich soll seine eigene Virenforschung demnächst vom deutschen Verteidigungsministerium finanziert werden.

Kritisch werden derartige Virenforschungen von der englischen Tierschützerin Jan Creamer und der Molekularbiologe Manuel Kiper bewertet. Unter der Tarnkappe militärischer Geheimhaltung panschen, so Creamer, Wissenschaftler Viren zusammen, die aus den unterschiedlichsten Weltregionen stammen. So entstehen Retortenseuchen, die anschließend unter dem Schutz afrikanischer Diktaturen „freilandgetestet“ werden. Auf diese Weise sammelt man militärisch verwertbare Daten. Gleichzeitig entstehen filmisch umsetzbare Mythen wie der, daß Ebola aus einer Höhle in Zaire stamme. Der Kreis zum Hollywoodfilm schließt sich.

„Killerviren im Nebel“ penetriert den Zuschauer nicht mit plakativen Enthüllungen à la „Spiegel TV“. Rauch und Claasen recherchieren den komplexen Hintergrund der Biowaffenforschung zu einer Zeit, da das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Manfred Riepe

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