Biologin über Kommunen und Klimawandel: „Klimaschutz ist Teamsport“

Margit Spöttle leitet die Augsburger Stabsstelle für Mobilität und Klimaschutz. Sie spricht über Stärken und Schwächen des kommunalen Engagements gegen den Klimawandel.

Ein Einfamilienhaus mit Photovoltaik Anlage auf dem Dach

„Das teuerste Dach ist eines ohne Photovoltaik-Anlage“ Foto: H. Baesemann/imago

taz am wochenende: Es gibt Fridays for Future, Greta Thunberg, internationale Klimakonferenzen. Wozu braucht es Klimaschutz in Städten und Dörfern?

Margit Spöttle: Um auf das Thema aufmerksam zu machen und zu zeigen, wie man ihm begegnen kann. Zwar gibt es in Städten, Kreisen und Gemeinden Leute, die Lust haben, Klimaschutz voranzutreiben. Wenn ein Bürgermeister und ein Landwirt Windräder aufstellen und Solaranlagen planen, können sie viel bewegen. Aber es darf nicht sein, dass Klimaschutz vom Engagement einzelner Bür­ge­r:in­nen oder Land­rä­t:in­nen abhängt. Mein Traum ist, dass wir auf lange Sicht gar keine Klimaschutzbeauftragten mehr brauchen, weil Klimaschutz selbstverständlich ist. Dazu muss die Vernetzung besser werden. Klimaschutz ist Teamsport.

Was machen Sie als Klimaschutzbeauftragte im Landrats­amt Augsburg, um die Situation zu verbessern?

Hier im Süden gibt es viel Potenzial für Solaranlagen. Deswegen haben wir eine Offensive gestartet, um mehr Anlagen auf die Dächer zu bekommen. Dazu organisiere ich Vorträge für Haus­be­sit­ze­r:in­nen und Landwirt:innen. Mittlerweile sind die Anlagen günstig und werfen Rendite ab. Das teuerste Dach ist eines ohne Photovoltaik-Anlage. Ansonsten betreibe ich Aufklärung und setze mit Öffentlichkeitsarbeit und Beratungsangeboten bei Bürger:innen, Kommunen und Unternehmen an. Viele Menschen wissen, dass ihre Ölheizung schlecht fürs Klima ist. Aber dass sie mit Dämmung und Ernährung sehr viel fürs Klima erreichen können, wissen wenige. Ich sehe mich als Übersetzerin, die wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Entscheidungen kommuniziert. Außerdem suche ich die Stärken und Schwächen der Energiestrukturen im Landkreis.

Was ist die größte Baustelle in Ihrem Landkreis?

Als wirtschaftlich starker Landkreis werden wir den Energiebedarf nicht komplett mit erneuerbaren Energien decken können, wir müssen sparsamer werden. Mit technischen Maßnahmen lässt sich schon viel erreichen. Bei Häusern ist die Wärme der größte Faktor. Einem Haus kann man sinnbildlich einen Pullover anziehen.

arbeitet seit neun Jahren im Landratsamt Augsburg für den Klimaschutz in der Region. Derzeit leitet die Biologin die Stabsstelle Mobilität und Klimaschutz.

Womit haben Sie bei Ihrer Arbeit die größten Schwierigkeiten?

Als Landkreis kann ich keine Gesetze zum Klimaschutz machen, sondern nur beraten und motivieren. Ich habe ein stumpfes Schwert, das auf Freiwilligkeit basiert. Gesetze für mehr Klimaschutz können Land und Bund schaffen, da bräuchte es mehr Nachdruck. Handlungsbedarf gibt es zum Beispiel beim Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es hat zwar dafür gesorgt, dass erneuerbare Energie mittlerweile die günstige Stromquelle in Deutschland ist. Leider ist das Gesetz aber mittlerweile sehr kompliziert.

Eine Photovoltaik­anlage errichten bedeutet Stress bei der Steuererklärung, die meisten Leute schlagen dann die Hände über dem Kopf zusammen. Außerdem ist Klimaschutz eine freiwillige Aufgabe von Landkreisen und Kommunen. Wer Geld hat, kann es sich leisten, Fachkräfte für Klimaschutz einzustellen. Aber gerade während der Pandemie mit ihrer finanziellen Belastung ist diese Freiwilligkeit eine ernste Bedrohung. Klimaschutz muss eine kommunale Pflichtaufgabe werden, inklusive der entsprechenden staatlichen Finanzierung. Und letztlich fehlt mir Verbindlichkeit. Was passiert, wenn eine Kommune ihre selbst gesetzten Klimaschutzziele nicht erreicht? Nichts! Wen wundert es dann, dass die Ziele von manchen Stellen nicht ernst genommen werden?

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Und womit läuft es ganz gut?

Im Kreis Augsburg ist unsere Solaroffensive sehr erfolgreich. Außerdem haben wir das Sanierungsprojekt „Energiekarawane“. In ein Quartier mit vielen Altbauten habe ich En­er­gie­be­ra­te­r:in­nen geschickt, die die Be­woh­ne­r:in­nen über energetische Sanierung aufklärten. Ein Jahr später lag die Sanierungsrate bei 26 Prozent. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt wird jährlich etwa 1 Prozent saniert.

Wie bewerten Sie die Lage in Bund und Ländern?

In Bayern wurde ein Klimaschutzgesetz beschlossen, in anderen Bundesländern gibt es eine Solarpflicht für Neubauten und Carports. Auch der Bund und die EU bewegen sich, aber wir müssen schneller werden.

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