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Archiv-Artikel

Bio-Bluff bei Öko-Eiern

ETIKETTENSCHWINDEL Staatsanwälte ermitteln: 150 niedersächsische Eierproduzenten stehen unter Betrugsverdacht. Millionen Eier sollen falsch deklariert in den Handel gelangt, Verbraucher systematisch getäuscht worden sein

Hennen und Eier

■ In engen Käfigen leben Ende 2012 noch immer 4,9 Millionen Legehennen, doch ihre Zahl sank um 4,2 Prozent gegenüber Ende 2011.

■ Die Hühnerhaltung nach ökologischen Richtlinien wächst stark: Innerhalb des vorigen Jahres Jahres stieg die Zahl der Legehennen in Öko-Betrieben um 17 Prozent.

■ Seit die traditionelle Käfighaltung verboten wurde, müssen die Tiere in Kleingruppenkäfigen gehalten werden. Bis zu zehn Hennen bilden eine Gruppe. Sie haben etwas mehr Bewegungsfreiheit.

■ Rund 36,6 Millionen Hennen legen ihre Eier in deutschen Betrieben. Sie legten 2012 zusammen rund 10,6 Milliarden Eier.

VON MARCO CARINI

In Niedersachsen bahnt sich einer der größten Betrugsfälle in der Geschichte der deutschen Landwirtschaft an. Nach Spiegel-Informationen ermittelt die Staatsanwaltschaft Oldenburg gegen 150 niedersächsische Eierproduzenten. Fast jeder fünfte Eierproduzent des Landes steht in Verdacht, Eier von auf engstem Raum zusammengepferchten Legehennen als Freiland- oder gar Bio-Eier in den Handel gebracht zu haben. Freiland-Legehennen müssen pro Tier mindestens über vier Quadratmeter Auslauffläche verfügen, Bio-Eier von Hennen stammen, die speziell ernährt wurden.

Millionen Eier sind nach Recherchen des Hamburger Nachrichtenmagazins so falsch deklariert in den Handel gekommen. Neben Agrarerzeugern in Niedersachsen sollen auch rund 50 Hennen-Halter in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern in den kriminellen Etikettenschwindel involviert sein. Auch in Belgien und den Niederlanden wird derzeit gegen Betriebe ermittelt.

Betroffen sind nach Informationen aus dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium zum Großteil konventionelle Betriebe, aber auch gegen einige Bio-Landwirte sollen die Ermittlungen auf Hochtouren laufen. Die Namen der verdächtigen Eierproduzenten will die Staatsanwaltschaft allerdings erst nennen, wenn klar sei „in wie vielen und welchen Fällen“ sich der Verdacht bestätige. Das solle „relativ zeitnah“ feststehen, hoffte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Frauke Wilken, am Sonntag, ließ aber offen, ob sie bei dieser Formulierung von Tagen, Wochen oder Monaten ausgeht. Die Ermittlungen seien „sehr aufwendig, so etwas dauert seine Zeit“, so Wilken.

Erste Nachforschungen nahm die Staatsanwaltschaft im Herbst 2011 auf. Ermittelt wird gegen die rund 150 Firmen – deren Namen die Staatsanwaltschaft noch nicht nennt – wegen möglicher Verstöße gegen das Lebensmittel- und das Futtermittelgesetz. Auch Vergehen gegen das ökologische Landbaugesetz und der Straftatbestand „Betrug“ stehen auf der Liste der möglichen Anklagepunkte.

„Der Verdacht besteht, dass es sich um systematischen Betrug handelt“, erklärte der neue niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) am Sonntag. „Das ist kein Kavaliersdelikt, das wäre Verbrauchertäuschung.“

Das Agrarministerium habe Berichte über die jüngsten Kontrollen der Betriebe angefordert, für die die Kommunen zuständig seien, so Meyer weiter. Nun werde geprüft, ob den betroffenen Eierproduzenten womöglich die Zulassung entzogen wird. „Wir können aber nur entziehen, wenn sich der Betrug bestätigt und die Betriebe überführt sind“, verdeutlicht Meyer die Spielregeln.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) erklärte am Sonntag, in den Supermärkten hätten auch in der Bio-Sparte die Eier großer Agrarfabriken längst die mittelständischer Bio-Bauern verdrängt – die Folge eines exzessiven Preiskampfes. „Ökologischer Landbau und eine artgerechte Tierhaltung sind aber nur in flächengebundenen, mittelständisch-bäuerlichen Strukturen mit überzeugten Bio-Bauern möglich“, urteilt die Arbeitsgemeinschaft.

Boden- und Freilandhaltung nehmen in Deutschland kontinuierlich zu, die Käfighaltung ab. Laut Statistischem Bundesamt leben bundesweit zwei Drittel aller erfassten Legehennen (26,8 Millionen) in Bodenhaltung. An zweiter Stelle folgt die Freilandhaltung mit 14,8 und erst an dritter Stelle die Käfighaltung mit 13,4 Prozent. Bio-Betriebe hielten Ende 2012 2,9 Millionen Legehennen, das entspricht 7,9 Prozent aller Tiere. Seit 2009 ist die herkömmliche Käfighaltung in Deutschland verboten.