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Archiv-Artikel

die taz vor 15 jahren Bill Clinton ins Weiße Haus

Eine klassische amerikanische Karriere. Der Nobody aus Little Rock erobert das Weiße Haus wie der Tellerwäscher die Millionärssuite – aus dem Nichts, wie durch ein Wunder und gegen jede Logik. 90 Prozent aller Stimmen konnte George Bush nach dem Golfkrieg auf sich versammeln, am Dienstag waren es kaum mehr als ein Drittel. Da half auch nicht das letzte armselige Argument, mit dem die Republikaner die verlorene Schlacht noch wenden wollten: daß es doch wohl nicht sein kann, daß Saddam weiterregiert, aber sein großer Bezwinger die Macht verliert.

Insofern ist die Wahl Clintons ein gutes Zeichen: mit Säbelrasseln und militärischem Potenzgebaren, mit Fähnchen und patriotischem Firlefanz ist in den USA keine Wahl mehr zu gewinnen. Der Erfolg des Wahlsiegers wird nicht zuletzt davon abhängen, wie viele Milliarden er dem Militäretat und seiner industriellen Lobby am Ende tatsächlich abringen kann. Mit nichts kann auch er die zugesagt Wende bei den Arbeitsplätzen, in der Bildung, im Sozialen nicht finanzieren.

Um seinen Job ist Clinton nicht zu beneiden: Mit der Abwahl Bushs geht eine Ära zu Ende, in der die USA vom größten Gläubiger zum größten Schuldner, vom Finanzier zum Pleitier des Planeten wurden. So schwierig wie das Management der „Reagonomics“-Katastrophe, so schwer wird die von Clinton propagierte geistige Wende sein – der Hauch von 68, der mit ihm ins Weiße Haus gewählt wurde, wird kräftig Gegenwind erfahren: Bushs alte Freunde in der Pharmaindustrie werden etwa eine Einstellung des „War on drugs“ ebensowenig hinnehmen wie die Bibelfanatiker eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts oder die Rassisten ein Ende der Diskriminierung.

Mathias Bröckers, 5. 11. 1992