: Bildung im www.Austausch
■ Die Uni Bremen will in Zukunft nicht nur Studis zum Austausch in die USA schicken, sondern jetzt auch ganze Vorlesungen / Hoffnung: „mehr Internationalisierung
Im 20. Jahrhundert war ein Auslandsstudium noch gefragt. Die Unis packten dutzendfach Partnerhochschulen auf ihre Prospekte. Und fortan packten die Studis regelmäßig ihre Koffer. 170 von rund 17.000 Studis ziehen allein von der Bremer Uni jedes Jahr ins Ausland. 25 Partner-Unis sind im Angebot – quer durch alle Kontinente.
Im 21. Jahrhundert kann das nicht mehr alles sein, glaubt Rektor Jürgen Timm. „Um im internationalen Wettbewerb mitbestehen zu können“, dürfe sich die Hochschule nicht einkapseln. Jetzt sollen nicht nur Studis und Lehrende, sondern auch Vorlesungen und Kurse zwischen Bremen und dem Dickinson College (USA) hin und her wandern. Und zwar: immediately. Revolution und digitales Zeitalter dürfen nicht verschlafen werden.
Die Vision vom virtuellen Bildungsaustausch wurde schon mal aufs Papier gebannt: Bremens Rektor Timm und Dickinsons Präsident William G. Durden erneuerten den 15 Jahre alten Partner-Vertrag, um die gegenseitige Anerkennung digitaler Kurse und credits. Damit wäre das transatlantisches Netz deutschlandweit das Erste. „Bislang gibt es nur lokale Kooperationen zwischen Nachbarstädten“, erklärt Timm. Mit Bremen als „Brückenkopf“ sollen außerdem osteuropäische Partnerunis ins gemeinsame Netz geholt werden.
Von heute auf morgen werden Lectures aus der Partneruni noch nicht im Bremer Vorlesungsverzeichnis auftauchen. Bremens zuständiger Dickinson Manager Rainer Stollmann rechnet frühestens im nächsten Sommersemester mit dem ersten Internet-Angebot. Für Bremen bedeute das hoffentlich mehr Drive in Richtung Internationalisierung, bekundet Timm mit polyglotten Power-Vokabeln.
Bislang unterrichtet noch ein Dickinson-Dozent live im Fachbereich Physik. Die Historik-Profs besuchten sich schon mal gegenseitig. Und in Geographie wurde vor Jahren die erste Vorlesung per Telekonferenz übertragen. In Zukunft soll es aber mehr und fachübergreifende Angebote geben. Mit Schwerpunkt in der Ökonomie. „Interdisziplinarität muss neu buchstabiert werden“, verkündet Timm.
Die Vorraussetzungen für das Zukunftsprojekt: ein bis zwei Millionen Mark zahlt die Bremer Uni jährlich für schnelle Datentransfers ins Ausland. Nachdem in Deutschland Master und Bachelor eingeführt werden, wäre damit auch der Weg für „gemeinsame Abschlüsse“ offen, erklärt Stollmann langfristige Ziele. Bislang konnte man in den USA mit einem Diplom im Titel nur wenig anfangen. Auch neue Studienfächer wie Economics, die weitgehend auf Englisch unterrichtet werden, hat Bremen mittlerweile im Angebot für das College in Carlisle, Pennsylvania.
Neben neuen Bildungschancen geht es Timm und Durden aber auch um den Aufbau eines „nicht-kommerziellen Systems“ zum Austausch von Informationen. „Natürlich können sie heute schon Physik-Vorlesungen im Internet abrufen. Aber sie zahlen dafür Cash“, ärgert sich Timm über die Kommerzialisierung der Angebote. Ohne das Netzwerk zwischen Uni Bremen und Dickinson College wäre ein kostenloses Erststudium im Internet ausgeschlossen.
Der schöne neue Datenaustausch im 21. Jahrhundert soll die Semester in der Ferne aber nicht ersetzen. „Der Austausch für Studenten und Lehrende bleibt sehr wichtig.“ Anders könne eine andere Kultur kaum vermittelt werden. Auch nicht online. pipe
P.S.: Ein bisschen unausgewogen ist die universitäre Ein- und Auswanderungsquote: 260 Studis kommen im Durchschnitt jedes Jahr nach Bremen, vorwiegend Geisteswissenschaftler. Nur 170 dagegen starten in die Gegenrichtung. Mit Vorliebe allerdings in die USA, Kanada und Australien, wo einem Sprache und Reputation der Unis entgegenkomme. Nach Gründen für die schlechte Quote hat die Leiterin des Akademischen Auslandsamts, Erika Harjes-Badawi, recherchiert: Studiengebühren stehen manchem im Weg, der keine Fördermittel bekomme. Und mancherorts werden Scheine nicht so einfach anerkannt. Die Mobilität der Deutschen sei allerdings noch nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern.
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