: Biedermeier in der Firma
Ob die Aktion „Z“ richtig ist oder nicht, diese Frage stellt sich mir zurzeit nicht. Wohl aber die: Warum erst jetzt? Leidet erst jetzt der Profit unter der Duldung von Ausländerhass und Rechtsradikalismus? Leider habe ich bei uns im Betrieb die Erfahrung gemacht, dass weder meine IGM-Betriebsräte in der jüngsten Vergangenheit eine Notwendigkeit sahen, aktiv zu werden, noch die Verwaltungsstelle Neu-Ulm. Als Beispiel könnte dienen, dass der Ausspruch des Fertigungsleiters zu einem türkischen Kollegen, der gerade seine Meisterprüfung bestanden hatte: „Solange ich hier etwas zu sagen habe, wird kein Türke hier eine Meisterstelle bekommen“, (keine einzige Meisterstelle ist mit einem ausländischen Kollegen besetzt!) keine Reaktionen ausgelöst hat.
Erst jüngst wurde vom Personalchef eine Statistik in so genannten Gesundheitszirkeln verteilt, in der der Krankenstand von deutschen und ausländischen Kollegen getrennt aufgeführt ist mit dem Tenor: die ausländischen Kollegen machen 1,1 Prozent mehr krank als die deutschen. Meine Kolleginnen und Kollegen kamen völlig entrüstet aus diesen Zirkeln heraus, wussten aber nicht, wo sie ihrer Empörung richtig Luft verschaffen konnten.
Auch hier konnte ich meine BR-Kollegen und die Verwaltungsstelle Neu-Ulm nicht dazu bringen, dagegen vorzugehen. Dies wären aber die richtigen Schaltstellen, um Brandstiftern in unserem Betrieb direkt zu begegnen.
Die Zahl der Kollegen, die ihre rechte Gesinnung nicht verbergen, ist in den letzten 10 Jahren sehr angewachsen. Paradoxerweise sind selbst ausländische Kollegen davon infiziert. Ein Indiz dafür, wie erfolgreich die einschlägigen Meinungsmacher waren und wie arg unter anderen zum Beispiel die Gewerkschaften dabei versagt haben, eine Haiderisierung der deutschen Gesellschaft und vor allem in den Betrieben zu verhindern.
Die Aufarbeitung der Entwicklung zum Land mit kultiviertem Ausländerhass muss auch in gesellschaftlichen Institutionen wie der IGM geführt werden. GÜNTHER DILGER, Ulm-Wiblingen
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