: Bezirke: Nagel schuld an Investitionsstau
■ Ostbezirke von Investitionsstau besonders betroffen/ SPD will rasche Aufklärung über Ursachen/ Verlorene S-Bahn-Gelder: Grüne fordern Rücktritt von Bausenator Nagel und Verkehrssenator Haase
Berlin. Der Investitionsstau im Berliner Haushalt, den die taz am Samstag publik gemacht hat, wird jetzt auch das Parlament beschäftigen. Der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses müsse rasch über die Ursachen der Investitionsblockade beraten, forderte gestern SPD-Fraktionsgeschäftsführer Horst-Achim Kern. »Wir können es uns nicht leisten, daß 1992 dasselbe passiert.« Wie berichtet, hatte das Land Berlin im letzten Jahr eine Milliarde Mark der eingeplanten Investitionssumme in Höhe von 7,7 Milliarden nicht ausgegeben.
»Die Höhe der Summe erschreckt mich insofern, als davon Arbeitsplätze betroffen sind«, sagte Kern. »Die Investitionen werden nachgeholt«, versicherte ein Sprecher von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU). Das gelte allerdings nicht für die Bonner Zuschüsse für die S-Bahn, die der Senat aufgrund von Abstimmungsproblemen mit der Reichsbahn nicht abrufen konnte. Wegen dieser Panne forderte die Fraktion Bündnis 90/Grüne sogar den Rücktritt von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) und Bausenator Wolfgang Nagel (SPD). »Wer 25 Millionen Mark an Bonner Geldern für den S-Bahn-Bau nicht abschöpft, soll die Senatsbank verlassen«, erklärte der Abgeordnete Michael Cramer.
Besonders betroffen von der Investitionsblockade waren offenbar die Neubaubezirke im Ostteil der Stadt. In Hellersdorf wurde etwa ein Drittel der Investitionssumme von 130 Millionen Mark nicht ausgegeben. Eine Ursache, so der Hellersdorfer Haushaltsamtsleiter Klaus Manigel, seien die »erheblichen Probleme« mit nichtbesetzten Stellen im Bauamt. In erster Linie sei jedoch nicht der Bezirk, sondern die Senatsbauverwaltung für die Investitionsblockade verantwortlich. Sie führe im Auftrag des Bezirks in den Plattenbauvierteln den »komplexen Wohnungsbau« fort, habe jedoch Schwierigkeiten, die sogenannten Dienstleistungswürfel fertigzustellen.
Vorwürfe gegen den Bausenator erhob auch der Marzahner Bürgermeister Andreas Röhl (SPD). Nagel habe im letzten Jahr »eine große Klappe« gehabt und den Bezirken vorgeworfen, sie würden mit ihren Investitionsvorhaben nicht fertigwerden. Jetzt stelle sich heraus, daß der Bezirk seine »Hausaufgaben gemacht« habe, die Senatsbauverwaltung jedoch mit dem Bau von Straßen und Grünanlagen in den Plattenbauvierteln hinterherhinke. In Marzahn seien insgesamt 13 Millionen Mark übriggeblieben.
Keine Probleme mit seiner Investitionssumme hatte hingegen der Friedrichshainer Baustadtrat Gerd Hannemann (SPD). »Wenn da anderswo was übriggeblieben ist, ist das bedauerlich«, sagte Hannemann. »Wir haben jede Menge Projekte in den Schubladen und hätten das Geld mühelos ausgeben können.“ Auch die Westberliner Bezirke hatten offenbar kaum Schwierigkeiten, ihre Investitionsmittel auszugeben. In Spandau wurden allerdings nach den Worten von Baustadtrat Klaus Jungclaus (SPD) etwa die Hälfte der Tiefbaumittel in Höhe von neun Millionen Mark nicht aberufen. Der Bezirk habe Zeit verloren, da für die Mittel in der ersten Jahreshälfte eine Sperre des Abgeordnetenhauses gegolten habe. hmt
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