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■ Geschichten, die das Leben schreibtBezahlter Killer erpreßt Auftraggeber

Kempten (taz) – Manchmal zeigt sich doch, daß Fernsehen der Menschheit schadet. Zu viele Krimis, und vor allem zu viele Mafia- Serien beflügeln die Phantasie des Durchschnittszuschauers und sorgen so für schlimme Taten, die später natürlich verfilmt und im Fernsehen gesendet werden, was wiederum zu weiteren schlimmen Dingen führt. Bisweilen, vermutlich eben aufgrund dieses haltlosen Serienkonsums, geraten die Protagonisten der selbstgebastelten Serie in ein heilloses Durcheinander, zuletzt in Kempten im Allgäu.

Hier wollte ein 40jähriger Geschäftsmann aus dem Ostallgäu einen gleichaltrigen Kaufmann aus Mindelheim beseitigen lassen. Zu diesem Zweck suchte er im Zuhältermilieu einen Killer, dem er 20.000 Mark für die Tat zukommen lassen wollte. Ein 28jähriger Kaufbeurer erklärte sich schließlich bereit, einen bezahlten Killer zu suchen und meldete auch einige Tage später, er haben einen solchen gefunden.

Wie sich jetzt herausstellte, existierte der vermeintliche „Mörder gegen Bezahlung“ – ein Mann, der nicht aus dem Allgäu, sondern aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen sollte – jedoch gar nicht wirklich. Diesen hatte der 28jährige Zuhälter nur erfunden, um in den Genuß einer Anzahlung in Höhe von 10.000 Mark zu kommen. Weitere 10.000 Mark sollte er vier Stunden nach dem bestellten Mord erhalten.

So weit, so gut. Ein klassischer Plot, mit allem, was dazugehört: Schurke engagiert Schurken, ohne zu wissen, wie schurkisch der Schurke tatsächlich ist. Er wiegt sich in der Gewißheit, alles werde schon seinen Gang gehen. Doch hinter seinem Rücken entwickelt sich die Geschichte ganz anders...

Zur Tatausführung kam es nämlich nicht, obwohl der Auftraggeber massiv darauf drängte. Statt dessen erpreßte der Auftragnehmer seinen Auftraggeber mit Telefonmitschnitten, die er bei den „Verhandlungen“ heimlich gefertigt hatte.

Aha. Der Oberschurke hat seine Macht verloren und muß seinen Titel an den Unterschurken abgeben. Der aber will hoch hinaus. Gehen Sie sich jetzt kein Bier holen: Die nächste dramatische Szene folgt sogleich.

Der 28jährige wandte sich jetzt auch noch an das geplante Opfer. Am geplanten Tattag ließ er diesen wissen, daß er eigentliche heute seinen zweiten Geburtstag feiern könnte, da für diesen Tag an sich seine Ermordung geplant gewesen sei, die er – der 28jährige – jedoch verhindert habe. Als „Dankeschön“ sollte das Mordopfer ihm 7.500 Mark bezahlen.

Die Polizei stieß eher zufällig auf die merkwürdigen Vorgänge. Im Rahmen einer Routineuntersuchung wegen eines Sexualdelikts in Kaufbeuren wurden belastende Schriftstücke gefunden, die auf den Mord hindeuteten. Zwischenzeitlich befinden sich Auftraggeber und „Killerbeschaffer“ in Untersuchungshaft, ebenso ein Bekannter des Opfers.

Hier krankt das Drehbuch natürlich ein wenig. Die Geburtstagsfeier ist ein raffinierter Einfall – der Killer steht mit Sekt vor der Tür, die Kopien der Verhandlungsmitschnitte in Geschenkpapier eingewickelt –, doch Kommissar Zufall wirkt überhaupt nicht überzeugend. Aber Kempten ist schließlich auch nicht Palermo. Wittmann/Rönneburg

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