■ Nachgefragt: „Bewußt hohe Hürde“
Zwei Volksbegehren drohen daran zu scheitern, daß zur neuen Landesverfassung noch ein Ausführungsgesetz von 1969 gilt, das zum Beispiel verlangt, die 50.000 erforderlichen Unterschriften innerhalb von nur neun Tagen zu sammeln (vgl. taz vom 26.1.). Der CDU-Fraktionschef Peter Kudella war Vorsitzender des Bürgerschaftsausschusses zur Reform der Landesverfassung.
taz: Haben Sie es versäumt, ausreichend Druck auf den Innensenator zu machen, damit es möglich wird, das neue Recht auf Volksentscheid parallel zur Bürgerschaftswahl im September auch tatsächlich ausüben zu können?
Peter Kudella: Wir haben eine ganze Reihe von Änderungen in Folge der Verfassungsänderung zu machen. Einiges haben wir schon geleistet, der Bürgerantrag ist zum Beispiel schon in Kraft getreten. Was das Volksbegehren betrifft, war geplant, daß der Innensenator bis Ende Februar, spätestens Anfang März einen Entwurf für das Ausführungsgesetz vorlegt.
Wann wäre er dann in Kraft?
Das kann ich nicht sagen, da der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuß sich damit befassen muß. Und dann hängt es davon ab, ob wir uns schnell einig werden oder nicht. Wenn der Entwurf brauchbar ist, könnten wir das Gesetz im April in der Bürgerschaft beschließen.
Dann wäre es im Mai in Kraft und die 50.000 Unterschriften müßten im Juni, Juli und August gesammelt werden – mitten in der Ferienzeit.
Das ist ohne Zweifel ein gewisses Erschwernis, aber wir sind hier in Termin-Zwängen, weil wir eine Vielzahl von Gesetzen und Geschäftsordnungsdingen zu regeln haben. Wir können jetzt nicht nur auf den Termin der Bürgerschaftswahl gucken und alles danach richten.
Die Konsequenz wäre: Von dem 1994 per Volksabstimmung festgelegten Recht auf Volksbegehren könnte de facto erst Ende 1998 zum ersten Mal Gebrauch gemacht werden.
Von dem Recht kann man jederzeit Gebrauch machen, aber es ist sicher richtig, daß es schwierig ist, 50 Prozent der Leute an die Wahlurne zu bringen. Der Verfassungsausschuß hat da auch bewußt eine hohe Hürde gesetzt, weil wir einen Mißbrauch dieses Rechts verhindern wollten. Aber wenn die Volksseele kocht, dann wird es auch unabhängig von Wahlen genug Beteiligung geben. Und für diese Zwecke ist das Instrument ja gedacht.
Landeswahlleiter Matthey schlägt eine Frist von mindestens drei Monaten für die freie Sammlung der 50.000 Unterschriften vor.
Ich glaube, daß drei Monate eine gute Frist wären. Ich bin aber dagegen, daß die Unterschriften frei gesammelt werden können, denn ein Volksentscheid kann ja erhebliche, auch verfassungsrechtliche Auswirkungen haben. Und da bedarf es einer Kontrolle, um jeden Mißbrauch auszuschließen. Die Unterschriftenlisten sollten aber in möglichst vielen Ämtern und Behörden ausliegen.
Werden Sie jetzt Druck auf den Innensenator ausüben, damit er seinen Gesetzentwurf ein bißchen schneller vorlegt?
Ich werde den Hinweis zum Anlaß nehmen, den Innensenator unmittelbar zu bitten, etwas schneller zu arbeiten, als er es bisher vorhat.
Fragen: Dirk Asendorpf
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