Bewegung: Tanz Bremen kommt ins Stolpern
Bildungsprojekte warten auf Zuschüsse, das Festival muss seine Gäste ausladen: Weil die Wirtschaftsförderung kein Geld gibt, kann es erst 2015 wieder stattfinden
Sabine Gehm ist nicht zu beneiden: Die Leiterin von „Tanz Bremen“ muss ihr Festival absagen. Anfang kommenden Jahres hätten rund 30 Produktionen aus dem In- und Ausland gezeigt werden sollen, doch nun ist die Finanzierung des seit 1988 stattfindenden Festivals zusammengebrochen. Hintergrund ist, dass die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) als bisheriger Hauptfinanzierer dieses Jahr andere Prioritäten setzt.
Dafür soll es nun 2015 stattfinden – was allerdings eine völlig neue Planung erfordert. Der Vorgang zeigt schlaglichthaft die Problematik wirtschaftlicher Kulturförderung. Sie muss ökonomisch entscheiden. Und da kann ein hoch renommiertes, mit maximal 8.000 Menschen aber nicht massenhaft besuchtes Tanzfestival durchaus den Kürzeren ziehen. Im konkreten Fall bevorzugte der Vergabe-Ausschuss der WFB unter anderem die nächstjährige Sonderausstellung der Kunsthalle über Picassos Sylvette-Porträts.
Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) ist im dreiköpfigen Vergabe-Ausschuss durchaus vertreten – ihr eigenes Ressort trägt allerdings nur 30.000 Euro zur Finanzierung des Festivals bei, gerade mal ein Zehntel von dessen Gesamtetat. Insgesamt vergab die WFB dieses Jahr 627.000 Euro, was eine leichte Kürzung um 6,3 Prozent ausmacht. Dass der „erkennbar begrenzte Mittelrahmen für 2014“ Grund für die Absage an Tanz Bremen sei, wie es in der offiziellen Pressemitteilung heißt, kann also höchstens teilweise zutreffen. Stattdessen geht es um Prioritätsentscheidungen – die in ihrer Begründung ebenso legitim wie in ihren Folgen fatal sind, wenn sie einen Totalausfall nach sich ziehen.
Das Festival wurde schon oft gebeutelt: Schon die erzwungene Streckung auf einen zweijährigen Rhythmus hat das Festival seiner Abhängigkeit von der Wirtschaftsförderung zu verdanken. Weil die Bremer Marketing Gesellschaft (BMG) als Förderer absprang, musste das Festival 2002 seinen Output halbieren und zur Biennale werden. Fünf Jahre später war es das Kulturressort, damals unter Führung von Bremens künftiger Bundestagsabgeordneten Elisabeth Motschmann (CDU), das dem Festival einen tückischen Knüppel zwischen die Beine warf: Es hatte den Trägerverein von „Tanz Bremen“ versehentlich als nicht vorsteuerabzugsberechtigt deklariert. Das Finanzamt verlangte entsprechende Nachzahlungen, die fast zur Insolvenz des Festivals führten. 2008 verkündete die neue Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) im voll besetzten Schauspielhaus, das Fortbestehen des Festivals sei gesichert – womit sicher keine Triennale-Form gemeint war.
2015, nach zweijähriger Pause, wird „Tanz Bremen“ gleichzeitig mit den Oldenburger Tanztagen stattfinden. Für die Szene ist das ein weiterer Frust: Denn gerade mit der Aussicht, dass Bremen und Oldenburg ihre jeweiligen Festivals abwechselnd abhalten würden, war der Öffentlichkeit das nur noch zweijährliche Stattfinden von Tanz Bremen „versüßt“ worden.
Nicht nur im Festival-Bereich, auch an der Tanz-„Basis“ ist einiges ins Rutschen geraten. Der aktuelle Entwurf des Kulturhaushalts sieht vor, den institutionellen Tanz-Titel von derzeit noch 60.000 Euro zu streichen – als Beitrag des Ressorts zur Sparumlage, die die ab 2020 verpflichtende „Schuldenbremse“ erfordert. „Für uns ist das ein schwerer Schlag“, sagt Helge Letonja von Steptext – einer in der Schwankhalle angesiedelten Compagnie, zu deren künstlerischen Produktionen sehr viele Inklusions- und Jugendprojekte zählen. Künftig sei man gezwungen, freie Projektmittel zu beantragen, über deren Vergabe in der Regel im Februar des laufenden Jahres entschieden werde. Letonja: „So kann man nicht planen – für uns ist das sehr Besorgnis erregend.“
Für das „Tanzwerk“ im Lagerhaus ist diese Sorge bereits Realität. Seine im Oktober beginnenden „Whirlschool“-Projekte sind aktuell noch nicht mal zur Hälfte finanziert. 12 Schulen beteiligen sich dieses Jahr an der seit Langem sehr erfolgreichen Kooperation, die Kinder mit zeitgenössischem Tanz konfrontiert. Doch die Bearbeitung der entsprechenden Anträge beim Bildungsressort verlaufe „unsäglich zäh“, sagt Rolf Hammes, künstlerischer Leiter des Tanzwerks.
Das Besondere an Tanz Bremen war stets die Verknüpfung internationalen Inputs mit der regionalen Szene, die Education-Projekte inbegriffen. Auch dafür ist ein verlässlicher Rhythmus erforderlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz