: Bewaffneter Kampf vorläufig beendet
Der Chefideologe der palästinensischen Hamas spricht sich gegen Anschläge in Israel, der Westbank und im Gaza-Streifen aus. Ein Abkommen mit der PLO ist fast unterschriftsreif ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Der Chefideologe der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, Scheich Ahmad Jassin, unterstützt die Friedensverhandlungen zwischen Israel und der PLO. Das teilte der arabische Knesset- Abgeordnete Taleb as-Sana gestern nach einem Gespräch mit dem in Israel inhaftierten Hamas- Mitbegründer am Vortag mit. Hamas werde wahrscheinlich Anfang November im Sudan eine Vereinbarung mit der PLO über die vorläufige Einstellung des bewaffneten Kampfes gegen das israelisch- palästinensische Abkommen unterzeichnen.
Der teilweise gelähmte Jassin gilt als der theologisch und politische Kopf der Hamas. Die Spitze der Organisation führt seit Wochen Verhandlungen mit der von PLO-Chef Jassir Arafat geleiteten Palästinensischen Autonomieverwaltung. Dabei geht es um eine Beteiligung der Hamas an den bevorstehenden Autonomiewahlen sowie die Einstellung aller Gewalttaten in der Westbank, im Gaza- Streifen und auch im israelischen Kernland. Der Palästinenser as- Sanaa sitzt für die arabische „Demokratische Partei“ im israelischen Parlament.
Nach seinen Angaben unterstützt Jassin den Standpunkt der Hamas-Führung im Gaza-Streifen und in der Westbank. Ihre Vertreter versuchen derzeit, zwischen der Arafat-Behörde und der Hamas- Führung im Ausland zu vermitteln. Laut as-Sanaa lehnt Hamas die israelisch-palästinensischen Abkommen zwar weiterhin ab, „aus pragmatischen Gründen und zur Vermeidung von Blutvergießen innerhalb des palästinensischen Lagers“ sei die Organisation jedoch bereit, alle vertraglichen Verpflichtungen der Selbstverwaltungsbehörde gegenüber Israel zu respektieren. Diese Zusage solle in dem Abkommen zwischen Hamas und der PLO festgelegt werden. Es werde so formuliert sein, daß daraus die Absicht der Einstellung feindlicher Handlungen auch gegen Israel deutlich hervorgeht.
Nach Aussage as-Sanaas hat sich Jassin auch für die von anderen Hamas-Vertretern befürwortete Teilnahme der islamischen Bewegung an den bevorstehenden palästinensischen Wahlen ausgesprochen. Innerhalb der Führung der Organisation herrsche jetzt die Meinung vor, daß sich Hamas zwar an den Wahlen für eine gesetzgebende Versammlung beteiligen solle, nicht aber in der Exekutive der palästinensischen Selbstverwaltung mitarbeiten.
Den israelischen Behörden empfahl as-Sanaa, Jassin rasch aus der Haft zu entlassen. Eine solche Geste werde den pragmatischeren Flügel in der Hamas-Führung stärken und den Erfolg der Verhandlungen sichern.
Aus ähnlichen Motiven hatte Jassir Arafat in den letzten zwei Wochen die Entlassung einiger führender Hamas-Vertreter aus Gefängnissen in Gaza angeordnet. Weitere Hamas-Scheichs in palästinensischer Haft sollen freigelassen werden, wenn die Verhandlungen zwischen den Islamisten und der PLO weitere Fortschritte machen. Auch die zeitweise verbotene Wochenzeitung von Hamas al-Watan darf wieder im Gaza- Streifen erscheinen.
Arafat hat sich gegenüber dem israelischen Regierungschef Jitzhak Rabin verpflichtet, arabischen Terror und andere gegen Israelis gerichtete Operationen intensiv zu bekämpfen. Bei einer Sitzung der oppositionellen Likud-Fraktion in der Knesset behauptete der Abgeordnete Beni Beigin am Mittwoch, im Rahmen des Abkommens zwischen Arafat und Hamas solle eine allgemeine Amnestie für Hamas- Häftlinge verkündet werden. Likud-Führer Benjamin Netanjahu erklärte: „Arafat versucht zu einem taktischen Abkommen mit Hamas zu kommen, um zu erreichen, daß die Terroroperationen gegen Israel bis zu den Knesset- Wahlen (im Herbst 1996) eingestellt werden.“ Dieses Abkommen solle es Rabins Regierung ermöglichen, Teile der Westbank an die palästinensische Selbstverwaltungsbehörde abzugeben.
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