: Bevorzugt Nuß & Korn
Unerwünschte Mitbewohner 2. und letzter Teil: Wenn Lebensmittel dynamisch werden ■ Von Vera Stadie
„Das ist eigentlich was fürs Kino“, findet Dr. Udo Sellenschlo vom Hygiene-Institut und präsentiert seine food-Fotos der besonderen Art: Der Müsliriegel ist belebt mit gelblichen Larven, die Nußschokolade „mit ganzen Nüssen“ in ein feines Gespinst gehüllt, die edlen Tropfen in Nuß sind „schon etwas vorverdaut“ und die gehackten Mandeln „portionsweise zusammengesponnen“. Ist das Seide auf dem „etwas länger gelagerten Studentenfutter“? Nein, das sei das Gespinst von Dörrobstmotten, erklärt der Zoologe.
Dörrobstmotten sind die häufigsten Motten im Haushalt. Die acht bis zehn Millimeter langen Insekten sehen aus wie kleine Schmetterlinge, und ihre silbergrauen Flügel haben einen rotbraunen Rand. Die gefräßigen Raupen mögen Gesundes: Sie vertilgen bevorzugt Körner, Nüsse und Trockenobst, aber auch Kräutertees und Gewürze, Süßigkeiten und Getreideprodukte. Wie die Seidenraupen hüllen sich die Larven der Dörrobstmotte in Kokons, die sich in Müslimischungen und Studentenfutter am wohlsten fühlen. Daß große Mengen Müsli billiger seien, weiß Sellenschlo, „ist ein Trugschluß, denn hinterher habe ich die Spinnfäden, die Eier und die Larven. Vor allem für Vegetarier ist das dann peinlich.“ Und es sei natürlich etwas eklig, „wenn Lebensmittel dynamisch werden und eine Eigenbewegung bekommen“.
Daran können auch Kornkäfer schuld sein. Die Larve entwickelt sich in Getreidekörnern und ist anfangs nicht zu sehen. Die dunkelbraunen bis schwarzen Käfer werden maximal vier Millimeter groß und leben in Mehl, Getreideprodukten und Nudeln.
Weniger wählerisch ist der Brotkäfer, „ein Tausendsassa“, so Sellenschlo. Die gelblich-weißen, bis zu fünf Millimeter langen Larven und die rötlichbraunen Käfer von zwei bis drei Millimeter Länge hinterlassen holzwurmartige Löcher nicht nur in Brot, Keksen und Nudeln. Die Allesfresser machen sich auch über Gewürze, Schokolade, Hülsenfrüchte, Kräutertees und Hundekuchen her.
Das häufigste Ungeziefer in der Küche sind Schaben, auch Kakerlaken genannt, denen es am besten unter dem Kühlschrank oder unter der Spüle gefällt. Nachts krabbeln sie los, um sich an Abfällen und Lebensmitteln gütlich zu tun. In der deutschen Küche verkehren vor allem die gelb oder braun gefärbte Deutsche Schabe von höchstens 14 Millimetern Länge und die kastanienbraune bis lackschwarze Küchenschabe, die bis zu 28 Millimeter groß wird. Orientschaben, die bis drei Zentimeter erreichen, verirren sich seltener in unsere Breiten.
Eine eingebackene Orientschabe ist eins von Sellenschlos Lieblingsobjekten. „Sie lag in einer Backstraße in der Backform. Der Teig ist von oben reingefallen. Damit war sie fixiert, hat den ganzen Backvorgang notgedrungen mitmachen müssen und landete dann ausgerechnet auf dem Toaster einer Gesundheitsaufseherin aus dem Bezirksamt Eimsbüttel. Die kriegte einen Schreikrampf.“
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