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Betr.: "Trauerarbeit" von Michael Rutschky, "Querdenker" von Kurt Scheel, taz vom 19.2.94

Der Spott über die öffentlichen Verrenkungen zur „Trauerarbeit“ wird bereitwillige Lacher finden und das Wort selbst ist inzwischen so ausgelutscht, daß der ursprüngliche Impuls der Mitscherlichs kaum noch zu erkennen ist, nämlich das Entsetzen über die galoppierende Amnesie, die wie ein großer Schwamm die Hitler-Epoche aus dem kollektiven Bewußtsein löschte, ehe überhaupt begriffen war, was die braune Bewegung – die einzige, die dieses Volk jemals umwälzend bewegt hat – in den Köpfen angerichtet hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, das Gewicht nicht auf ein Gefühl zu legen (...), sondern auf das Verstehen und Lernen.

Aber der Spott des Rutschky- Artikels und des angekündigten Buches „Wörterbuch des Gutmenschen“ gilt ja eigentlich nicht den Mitscherlichs, sondern der moralischen Dauerentrüstung der „Gutmenschen“, vor allem, wenn sie von links kommen, wo die Spötter vermutlich auch mal gewesen sind. Und in diesem Zusammenhang gehört er zu dem „Selbstverstümmelnden Literatenschmäh“, den Lothar Baier im Freitag vom 29.1.93 treffend analysiert hat.

Natürlich gibt es Formen moralischer Erregung, die an den Nerven zerren, aber solche Irritationen sind ein Klacks verglichen mit dem Horror, in einer Gesellschaft zu leben, die die Unterscheidung zwischen Gut und Böse vergessen hat, weil das Gute als Wert und Ziel zur Lächerlichkeit verkommen ist. Diesem Zustand nähern wir uns mit atemberaubender Geschwindigkeit und die flinken Spötter tragen das ihrige dazu bei. Vielleicht muß man erst mal von einem der neuen Brutalos zusammengeschlagen worden sein, um den Umgang mit „Gutmenschen“ zu schätzen.

Altmodisch? Nun ja, ich bin eine alte Frau und weiß, wovon ich rede. Der nachhaltigste Erfolg der Nazis war die Umkehrung der Gewissen. Gut war es, um der „Reinheit der Rasse“ willen Menschen zu massakrieren, böse war der, der sich dem mörderischen Wahn widersetzte. Keiner der Autoren wird behaupten, daß solche Gewissenswenden nicht weiterhin passieren, und es könnte leicht sein, daß die ach so überlegenen Intellektuellen mit Ausländern, Obdachlosen, Behinderten, Alten und Schwachen den neuen „Reinheitsgeboten“ zum Opfer fallen. Sie waren hier nie besonders beliebt!

Vielleicht halten die Herren vor dem Ausschütten ihrer Spottkübel einen Augenblick inne, um sich die alte Frage zu stellen: Wem nützt das? Ruth Rehmann, Trostberg/Obb.

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