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Betr.: "Tötungsverbot und Wert des Lebens", Theodor Ebert zu Peter Singers Thesen, taz vom 2.10.93

Wer täglich mit schwerstbehinderten Kindern arbeitet/lebt, weiß um die immer (mal) wieder aufkommenden quälenden Gedanken über den „Wert und Sinn des Lebens“. Eine offene und ehrliche Aussprache über diese oft als unmoralisch definierten Gedanken unter den betroffenen Eltern, Erziehern, Lehrern, Krankenpflegekräften, Ärzten, Krankengymnasten etc. ist um so notwendiger, als bei diesen Helfern häufig der Verdrängungsmechanismus als einzige Verarbeitungsform üblich zu sein scheint.

Spätestens seit Sigmund Freud ist bekannt, daß verdrängte Gedanken sich andernorts wiedermelden – häufig in Form von (versteckten/unbewußten) Aggressionen gegen Behinderte. Die zum Teil hysterisch/emotionalen Reaktionen auf Singers Thesen zeigen, wie wenig die Betroffenen sich sachlich mit diesen wichtigen emotionalen Fragen beschäftigt haben.

Singer beschreibt und kritisiert zu Recht die Klinikpraxis mit Behinderten und den juristischen Auswirkungen. Andererseits gibt es überzeugende Argumente gegen die faschistisch klingenden und unbelegten Thesen Singers. [...]

Singers Thesen beleben – von ihm ungewollt – endlich das wichtige und erfolgreich verdrängte Thema der „unkontrollierten Medizinforschung“. Chemiker erforschen für viel Geld Stoffe, die es ermöglichen, daß Frühgeborene noch unter 500 Gramm – zumindest eine Zeitlang – überleben können, obwohl weder das Gehirn noch die Gefäße, noch der Darm, noch die Haut, noch die Augen etc. einen entsprechend notwendigen Reifegrad haben. Die Chemie feiert ihren Erfolg, und die programmierte Mehrfachbehinderung fällt unter die Rubrik „Nebenwirkungen“. Eine Ethikkommission sollte die Medizinforschung kontrollieren, bevor derart zweifelhafte Forschungsvorhaben in Angriff genommen werden. Heute sollen/ müssen die Eltern eines Frühgeborenen in ihrer verzweifelten Lage ad hoc entscheiden, ob dieses Medikament bei ihrem Kind eingesetzt (erforscht) werden soll – oder ihr Kind stirbt. Es gibt natürlich Grenzen, die von Menschen nicht überschritten werden dürfen. Thomas Kohlstedt, Lehrer an

einer Sonderschule und ehem.

Krankenpfleger, Berlin

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