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Betr.: "Das Ende des Prinzips Verantwortung" (Tissy Bruns), "Die große Verweigerung" (Ralf Fücks), u.a. taz vom 11.10.93

[...] Wer die taz liest, muß glauben, diejenigen, die für ein militärisches Eingreifen in Bosnien eintreten, wären „gnadenlos geächtet“ worden, „kaum zu Wort gekommen“, „fertiggemacht“ worden, grüne Pazifisten hätten sich selbstbewußt zurückgelehnt und es abgelehnt, ihre Prinzipien zu überdenken. Fakt ist: Alle Anträge und Redebeiträge waren von einer großen Nachdenklichkeit geprägt, alte Positionen in Frage gestellt. Den Vorwurf „du bist Rühe, du bist Kinkel“ an die Adresse der „Interventionisten“ (selbst dieses Wort ist nicht gefallen) hat kein Mensch in der Debatte erhoben. Gerade den „hinreißend-demagogischen“ Daniel Cohn-Bendit, der wie kein zweiter die Debatte verunsachlicht hat, als Opfer darzustellen, ist ein Witz an sich: Daniel Cohn-Bendit durfte seinen Antrag doppelt so lange begründen wie die anderen AntragstellerInnen.

2. Die taz verlautbart fortlaufend, Pazifisten und überhaupt alle, die militärische Interventionen zu humanitären Zwecken ablehnen, ständen nicht zu ihrer politischen Verantwortung, sie hörten die Hilfeschreie der Betroffenen nicht, ja, sie seien gar „immun gegen Mitleiden“.

In Wahrheit haben sich Grüne und Friedensbewegte wohl noch nie in so kurzer Zeit so intensiv mit einem elenden Massenmorden auseinandergesetzt, selbst zu Hochzeiten der Mittelamerika-Solibewegung hat es nicht so viele Veranstaltungen mit Betroffenen gegeben. Viele direkte Initiativen versuchen konkrete Hilfe zu leisten, statt weltpolitische Reden zu schwingen. Die Kampagne „Den Krieg überleben“ hat unter maßgeblicher Beteiligung von B 90/Grünen bereits über 2.200 BosnierInnen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geholt, weit mehr als die Bundesregierung in der gleichen Zeit.

[...] B 90/Grüne haben recht daran getan, sich weiterhin der Gewaltfreiheit zu verpflichten. Die Befürworter einer Militärintervention haben keine überzeugenden Argumente dafür geliefert, wie sie das Grauen beenden könnten. Bis heute konnte keiner glaubhaft machen, wem z.B. ein „durchgekämpfter“ und dabei mit Sicherheit zerstörter Hilfskonvoi noch helfen soll. Oder wie durch das Eröffnen einer vierten, fünften oder sechsten Front (zwangsläufige Folge einer Intervention) der Krieg eingedämmt werden könnte, geschweige denn dauerhafter Frieden geschaffen werden.

Nein, uns bleibt nichts weiter, als politischen Druck zu entfalten, zu versuchen, die EG-Politik zu beeinflussen und solange so vielen wie möglich die Flucht zu ermöglichen. Arnd Grewer, Eberswalde

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