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Betr.: Werbeanzeige des Buches "Muß dieses Kind am Leben bleiben?" von peter Singer und Helga Kuhse, taz vom 4.9.93

Statt des offenen Anschlusses an den biologistischen Diskurs der sogenannten Neuen Rechten, statt der offenen wie brutalen Verteidgung der Metropolenprivilegien, versuchen sich viele der ehemals als „links“ sich bezeichnenden, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen: die Diskussion um das Lebensrecht behinderter Menschen ist so common sense, daß nicht einmal die Scherbe des NS- Euthanasieprogramms im Bewußtsein noch wahrgenommen wird. [...]

Wie glaubwürdig dann allerdings die Empörung über die Opfer rassistischer Gewalt ist, läßt sich auch daran ablesen, wie mit Klaus Staecks Zitat geworben wird.

Einmal diesen Zusammenhang hergestellt, anhand von Solingen, wird das ns-mäßige dieses Zitates deutlich: „Es gibt kein Recht, Hilflose...unnötig zu quälen, in dem man sie bewußt einem verordneten Siechtum aussetzt.“ Es kommt zwar noch das Mitleid hervor, aber die Erlösung vom Siechtum, einmal übersetzt mit: Ausgrenzung, Gewalt, Verfolgung, Diskriminierung - macht deutlich wer hier was von wem erlösen möchte. [...]

Wer jetzt auf das Thema Zensur kommt, auf die angeblich hysterische Aufregung von Leuten, die sich oder ihre FreundInnen nicht der gepriesenen Erlösung anheim geben wollen, der oder die muß sich fragen lassen, welchen Stellenwert behindertes Leben für sie oder ihn hat. Dann sind diese Leute mit dem Buch zweifelsohne gut bedient. [...] Tjark Kunstreich, Christian Schmidt

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