■ Nachlese: Betr.: FAZ-Artikel über Diepgen
Den Leitartikel von Georg Reuth in der FAZ vom Sonnabend wird der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, sicher nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern ihn auch womöglich mit vorauseilendem Gehorsam beantworten. Reuth widmet sich der Berliner „Dauermisere“: In jeder seiner gedrechselten Formulierungen fragt er scheinheilig, ob Berlin den Kredit verspielt habe, den es sich unter Weizsäcker erworben habe. Welche Frage! Reuth zweifelt besorgt an Diepgens Kraft zur „Reinigung“, zu einem Zeitpunkt, wo längst niemand mehr fragt, ob Diepgen säubern kann, sondern alle fragen, wie sauber er selber ist. Sechs Absätze verspätetes und betrübtes Plädieren für Sauberkeit im Sumpf, für Klarheit im Filz und für Unbestechlichkeit in der Korruption. Warum? Nun, Leitartikel können auch als Verpackung geschrieben werden: auf den siebten Absatz kommt es an. Da wird der Ton gemein. Diepgen solle sich nicht einbilden, die „gegenwärtige Krise durch effektvolle Aktivitäten in der Berlin– und Deutschlandpolitik verdecken zu wollen.“ Mit der „allzu offenkundig signalisierten Zustimmung zum DDR–Staatsakt anläßlich des 750jährigen Stadtjubiläums berührt (Diepgen) auf gefährliche Weise die Berliner Statusfragen“. Das ist die massive Drohung in der Verpackung. Ein Fall parfümierter Erpressungsjournalistik: die FAZ verspricht Schonung Diepgens, wenn er aus der Frontstadt nicht ausbricht. Andernfalls wird die rechte Presse Dinge beim Namen nennen. Über Material verfügt diese Presse bekanntlich. KH
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