piwik no script img

Besucherflaute80 Gärten ohne Gäste

Zur Gartenschau in Wilhelmsburg kommen weniger Menschen als erwartet. Das könnte die Finanzierung gefährden. Sozialverband findet Preise zu hoch.

Auch wenns nicht so aussieht: Die Gartenschau hat zu wenig Besucher, finden die Betreiber. Bild: dpa

Etwa 100.000 Besucher hat die Internationale Gartenschau in Wilhelmsburg (IGS) in den ersten drei Wochen gezählt – und damit deutlich weniger, als erwartet. Um die 2,5 Millionen-Marke bis zum Ende am 17. Oktober zu knacken, müssten täglich bis zu 14.620 Menschen kommen. Am gesamten Pfingstwochenende waren es jedoch nur 20.000. „Das liegt am Wetter“, versichert IGS-Sprecherin Kerstin Feddersen. Sie glaubt nicht, dass die Eintrittspreise die Besucher abschrecken.

Sollte sie damit falsch liegen, könnte das für die Stadt ein Schlag ins Kontor werden. 70 Millionen Euro haben Senat und Bürgerschaft bereits für die Ausrichtung Gartenschau ausgegeben. Außerdem bürgen sie für die laufenden Betriebskosten von 50 Millionen Euro – und damit für die prognostizierten Besucherzahlen von 2,5 Millionen. Doch bislang scheinen weder die 80 Gärten mit Motiven rund um die Welt noch die regelmäßigen Konzerte auf dem Gelände eine ausreichende Motivation für einen Besuch zu bieten.

Denn die Gartenschau zu besichtigen, geht an den Geldbeutel: 21 Euro kostet ein Besuch der IGS einen Erwachsenen. Für zehn Euro mehr kann man den Tag auch im Hansa-Park verbringen. Rechnet man die 7,50 Euro für eine Fahrt mit der Schwebebahn ein, trennen die Pflanzenschau und den Freizeitpark nur 2,50 Euro. Jugendliche zahlen zwar nur sechs Euro, ein klassisches Familienangebot gibt es aber nicht. Auch Empfänger der Grundsicherung im Alter oder von Hartz IV kommen erhalten nur einen Rabatt von vier Euro. Nicht nur für Familien ist die Gartenschau daher ein teuerer Spaß.

Der Sozialverband Deutschland in Hamburg hält diese Preise für viel zu hoch. Schließlich sollte es im Sinne einer gesellschaftlichen Teilhabe allen möglich sein, die Ausstellung zu besuchen. Der Landesvorsitzende Klaus Wicher fordert daher einen Rabatt für Senioren und freien Eintritt für „Gartenfreunde, die Hartz IV beziehen“. Wicher findet, „die Gartenschau sollte nicht nur florales sondern auch soziales Vorbild sein“.

Für die Gestaltung der Preise ist der Aufsichtsrat der IGS verantwortlich. Die Aufsichtsratsvorsitzende und Senatorin für Umwelt und Stadtentwicklung, Jutta Blankau (SPD), sieht keinen Handlungsbedarf. Die Kalkulation der Eintrittspreise beruhe auf der Entscheidung der Vorgängersenate, dass die Einnahmen die Ausgaben decken sollen. Auf der Homepage der IGS versichert Blankau, dass die „breit gefächerte Preisstruktur für den Eintritt“ den Ansprüchen der Besucher „von jung bis alt und von nah bis fern gerecht“ werde.

„Die Preise sind vollkommen angemessen für das, was einem hier geboten wird“, betont IGS-Sprecherin Feddersen. Wer eine Tageskarte zu teuer finde, der könne für neun Euro den günstigeren Feierabend-Tarif ab 18 Uhr nutzen. Der Blick von Außen werde den Angeboten der IGS nicht gerecht: Hier gehe es längst nicht nur um Blumen. Der Park sei als „Freizeiterlebnis des 21. Jahrhunderts“ zu verstehen und kombiniere die Interessen von Jung und Alt.

Den Vorschlag des Sozialverbands Deutschland hält Feddersen für unrealistisch: „Politisches Ziel ist es, eine schwarze Null zu schreiben“, sagt sie. Senioren seien trotz aller Bemühungen, auch jüngere Menschen anzusprechen, immer noch die Hauptzielgruppe von Gartenschauen. Für dieses die Eintrittspreise zu senken, wäre daher kontraproduktiv. Zusätzliche Angebote für Familien seien aber im Gespräch.

Bereits während der Planungsphase hatte der Sozialverband eine sozial differenzierte Preisstruktur gefordert, weshalb er sich nun nicht über die niedrigen Besucherzahlen wundert. „Der Senat und alle Beteiligten haben eine wunderbare Oase geschaffen, doch die Reise in 80 Gärten um die Welt muss auch mit der wirklichen Welt zu tun haben und für jeden erschwinglich sein“, sagte Sozialverbands-Chef Wicher der Nachrichtenagentur dpa. Sozialhilfeempfänger müssten im Monat mit 38,71 Euro für Freizeit, Unterhaltung und Kultur auskommen. Der Eintritt für die IGS würde die Hälfte dieses Budgets auffressen. Das sei nicht akzeptabel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • C
    christoph

    Die Gartenschau läuft bereits? ;)

     

    21 Euro sind ein Witz...ich kenne ehrlich gesagt nicht viele, die in ihrer Freizeit eine Gartenschau veranstalten / besuchen und dafür auch noch Eintritt zahlen würden von 21 Euro. Ich bin gespannt, was die mit dem Gelände machen, wenn's dann mal durch ist.

     

    Btw: Die in Wilhelmsburg gebauten Bürogebäude waren ja auch ziemlich notwendig, da die Hafeninsel ja nicht schon genug leerstehende Bauten zur Verfügung stellt.

     

    Hört bitte mit dieser ganzen Prestigebauerei auf und schafft etwas, was der Stadt wieder mehr Leben einhaucht!

  • SH
    Stefan H.

    An die Adresse der Behördensprecherin: Ob ein Preis angemessen ist, entscheidet der potenzielle Besucher. Da keiner kommt, sind die Preise zu hoch. Mir wären 5 Euro noch zuviel, um ein paar Gewächse zu betrachten, die irgendwelche Gartendesigner aufgestellt haben.... Da geh ich doch lieber in den Wald oder auf die Heide.

  • II
    IGA73, ich war da!

    Der Eintritt der IGA 1973 (also zu Planten & Blomen) vor 40 Jahren kostete 3 DM für Erwachsene und 1 DM für Kinder. Ich habe noch die Eintrittskarte! Damals kamen schon in der ersten Woche 500.000 Besucher und...

    - jetzt kommt es: - ...haben auf dem Gelände kräftig konsumiert. Also nach dem Motto "erst müssen wir die Kirche voll machen und dann können wir den Klingelbeutel rumgehen lassen und nicht umgekehrt" . Inflations- und kaufbereinigt entsprechen übrigens die damaligen 3 DM Eintritt angeblich heutigen 4,50 Euro.

  • W
    wauz

    Vorschlag zur Recherche:

     

    Welche Grundstücke wurden vor der Gartenschau von wem an wen verkauft? Es kommt nämlich gar nicht so selten vor, dass zur Refinanzierung einer Gartenschau im Vorfeld Grund aus öffentlichem Besitz an privat verkauft wird. Und nahezu immer stellt man bei nachheriger näherer Betrachtung fest, dass eben diese Grundstücke NACH der Gartenschau erheblich mehr wert sind, als vorher UND dass genau diese Wertsteigerung durch Infrastrukturmaßnahmen genau im Zuge der Gartenschau hervorgebracht wurde.

    Praktisch jede Gartenschau in D dient der Bereicherung einiger Mitglieder der lokalen Besitzschicht, finanziert durch Steuerzahler und Besucher.

  • F
    Falmine

    Wenn es denn wirklich spannend wäre, würde ich schon 20 Euro zahlen. Allerdings gilt hier eher das Motto: Kennst Du eine, kennst Du alle! 08/15!

    Dafür gibt es eine ganz rationale Begründung: Es gibt nicht so viele Planungsbüros, die entsprechende Erfahrung und Manpower für solche Großprojekte haben und dann auch im Wettbewerb bestehen können. Also findet man immer wieder Teile, die man so oder ähnlich schon auf einer BUGA oder LGS gesehen hat. Außerdem haben sich Landschaftsplaner inzwischen weit von der Gestaltung mit Natur entfernt. Sie kennen sich zumeist mit Baustoffen besser aus als mit Pflanzen.

  • KS
    Klaus Schluttmann

    „Politisches Ziel ist es, eine schwarze Null zu schreiben“...

     

    Was kann man Besseres von roten Nullen erwarten als endlich einmal schwarz zu werden ? Solange sie nicht selbst für fehlende Gelder haften müssen, wird sich niemand im SPD-Senat um realistisches Erlös- und Kostenrechnen bemühen.

     

    Bei d e m Wetter, d e n Extrakosten für HVV-Anreise und d e n Eintrittspreisen zzgl. Magnetbahn bleibe ich zuhause - und SPD wähle ich schon mal gar nicht !

  • T
    Teddy

    Hab mir die "Garten"schau, welche ich lieber passend als "Verkehrsinsel"schau bezeichnen möchte angeschaut. Liebloser gehts nicht! Mit Gärten hat diese Veranstaltung wohl nur sehr entfernt zu tun. Ist das Satire oder gar Kunst? Betonkübel einfallslos mit Blumen (hauptsächlich Tulpen) gefüllt sind kein Gärten. Der Gipfel und mMn nach eine Beleidigung für den Rest der Welt sind aber die "internationalen" Gärten, welche Olaf Scholz sicher höchstpersönlich angelegt hat. Südeuropa z.B. hat man pauschal mit einer Handvoll unglücklicher Olivenbäume auf Schutt symbolisiert. Den Amazonas stellt man sich in Hamburg als 5 kleine Bäume auf Rindenmulch vor. Ein Witz!

    Der einzige Zweck dieser Veranstaltung ist die "billige" (vom Steuerzahler bezahlte) Neugewinnung von Bauland für tolle neue Eigentumswohnungen.

    Plump und Dreist. Gewinne werden natürlich wieder privatisiert und Verluste sozialisiert.

  • P
    Planten

    Na, wenn der Sozialverband die Preise nicht zu hoch finden würde, wäre das als wenn der Papst Atheismus nicht ablehnen würde. Wäre das einen Artikel wert?

     

    Zur Sache: Bei der letzten Bundesgartenschau vor 2 Jahren in Koblenz haben meine alte Mutti und ich auch jeweils 20 Euro gezahlt.

     

    Wer alles immer gleich skandalös findet, kann ja einfach warten bis die jeweilige igs oder BuGa vorbei ist und danach umsonst den entstandenen Park genießen. Mache ich fast täglich in Planten un Blomen - was ja das Ergebnis der letzten igs in Hamburg ist.

  • Z
    Zwangsgetränk

    Sogar um den Energiebunker in Wilhelmsburg zu besuchen muss Geld bezahlt werden. Sonst kommst du da nicht rein. Ist zwar nur ein Euro, der mit einer Tasse Kaffe verrechnet werden kann in dem ungemütlichen "Kaffee vju" auf dem Dach vom Bunker. Jeder Kaffeeausschank auf einem x-beliebigen Abflughafen hat da mehr Charme.

  • M
    Michael

    Natürlich sind die Preise zu hoch, das gilt nicht nur für HARTZ IV Empfänger, sondern für jeden Durchschnittsverdiener, der ggf. mit seiner Familie dorthin fahren möchte.

    Es ist allerdings geradezu billig, wie sich Frau Blankau zum Thema äußert, alles immer nur auf den Vorgängersenat zu schieben. Sie bzw.der jetzige Senat ist doch jetzt in der Regierung und trägt dementsprechend auch die heutige Verantwortung. So zeigt die SPD ihre "soziale Kompetenz".

  • A
    Altonaerin

    21€ Eintritt?

     

    Da sind die Petunien,zum mitnehmen,für den Balkon zu Hause inbegriffen.

     

    Oder?