Bestattungsrituale in Indonesien: Blick ins Jenseits
Wer eine Todesfeier bei den Toraja in Indonesien besucht, sollte auf ein Schlachtfest vorbereitet sein. Schwäche zeigen geht nicht.
Buris macht dich fertig. Du schwitzt, hast nicht geschlafen, willst heimlich, die drückende Hitze auf der Haut, zurück ins Hotelzimmer, dich auf dieses frisch bezogene Bett legen, auf dem mehr Kissen liegen als du besitzt, und dem Ventilator über dir beim Kreisen zusehen.
Du willst nicht darüber nachdenken, wie du hierher gekommen bist, sechzehn Stunden Flug, fünf Stunden Aufenthalt, zwei Stunden Flug und zwei Stunden Busfahrt an Tag 1, zwölf Stunden Busfahrt an Tag 2, die Magenschmerzen haben begonnen, da wusstest du noch gar nicht, wie indonesisches Essen schmeckt.
Und jetzt ist es also heiß und Vormittag, dir latent übel – und dieser Buris, ein Reiseführer, so sympathisch, dass es kaum auszuhalten ist, sagt: „Alles rot, rot, rot. Überall Blut. Und Knochen, überall.“ Knochen überall, wiederholst du. „Das Tier wird an einem Bein angebunden“, sagt Buris, „dann holt der Büffeltöter langsam das Messer raus und öffnet ihm mit einem wuchtigen Schnitt die Kehle.“
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Sulawesi: Die Bevölkerung besteht aus zahlreichen Ethnien. Die Bestattungsbräuche der Toraja im zentralen Hochland werden häufig von Touristen besucht.
Zeremonien: Totenfeiern finden vor allem während der Ferienzeit statt, im Juli, August und Dezember. Gäste aus dem Ausland sind in der Regel willkommen, erwartet werden Gastgeschenke und Zurückhaltung.
Information: tourismus-indonesien.de.
Die Reise nach Sulawesi wurde von der indonesischen Botschaft unterstützt.
Buris führt den wuchtigen Schnitt in der Luft vor, fährt mit einer Hand am Hals von links nach rechts. „Sobald der Büffel blutet, kommen Männer mit Bambusrohren und sammeln das Blut. Es wird später mit seinem Fleisch oder mit Schwein gekocht.“ Du würgst. Buris grinst. „Ist wie bei euch in Deutschland die Blutwurst.“
Alles rot, überall Blut
Tanah Toraja auf Sulawesi, Indonesiens viertgrößte Insel, aber keine, bei der du ein Reizwort hörst, das gleich einen Film in deinem Kopf abspult – so wie Bali eines ist, das dich an Tempelfeste und Julia Roberts denken lässt, wie sie mit wehendem Haar und auf einem Fahrrad, der Selbstfindung wegen, für „Eat Pray Love“ ein paar Reisfelder entlangfährt.
Das schöne Leben ist woanders, denkst du, Tanah Toraja ist ein Verwaltungsbezirk mit viel Dschungel und rund 600.000 Einwohnern, die am Kastendenken festhalten, obwohl die Feudalherren, denen der Großteil des Bodens gehört, etwa fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen – und die Besitzlosen, dem Adel verpflichtete Tagelöhner, siebzig. Alles Leben dient hier dem Tod. Höhepunkt des Daseins: „Die Reise nach Puya“, sagt Buris, „ins Jenseits, ins Land der Seelen.“
Du folgst Buris, noch schwitzend, aber weniger widerwillig jetzt – er hat gerade Land der Seelen gesagt und das ohne Pathos in der Stimme – wie er durch ein Dorf mit leeren Holzhütten läuft. Du willst schon gern wissen, wie Bestattungszeremonien die Hierarchie einer Gesellschaft bebildern können. „Vor wenigen Monaten hat hier eine Totenfeier stattgefunden.
Ein Mann und eine Frau, gut betucht, 87 Wasserbüffel wurden für sie geschlachtet“, sagt Buris, und dass sich der Status einer Familie an der Zahl geschlachteter Büffel bemisst. „Einer kostet 60 bis 80 Millionen Rupiah, gut 6.000 Euro. Ein besonderer Büffel, ein weißer mit blauen Augen, kostet bis zu 40.000 Euro. Von den weißen wurden sieben getötet.“
Büffel werden verehrt
Du stellst dir Innereien, auf dem Boden liegend, und Wiesen hinabrollende Tierköpfe vor, murmelst, so einen Tod kann sich doch keiner leisten. Buris rückt seine Mütze zurecht, die Deutschlandflagge darauf, sagt, „doch, die Reichen. Aber selbst die kann ein Verstorbener in den Ruin treiben.“ Zwanzig Kilometer weiter habe es kürzlich das größte Totenfest der Toraja gegeben, 200 tote Büffel, das Schulgebäude wurde abgerissen, weil man Platz brauchte, und danach wieder aufgebaut.
„Büffel und Reis sind für die Toraja nicht Fleisch und Pflanze. Sie sind Väter der Menschen“, sagt Buris. „Sie werden verehrt und zweimal täglich gefüttert.“ „Arme Leute züchten Büffel, um ihre Schulden beim Adel zu bezahlen“, sagt Buris.
Er zeigt auf die Hütten, ein solches Dorf heiße „Kete Kesu“, runder Feierort. Für jeden Toten werde es neu errichtet, manchmal jahrelang; die Feier selbst könne Monate dauern. „Es wird Buch geführt, wer kommt und wer was schenkt.“ Buris liebt solche Traditionsdetails.
„Lässt sich jemand aus dem engen Familienkreis nicht blicken, wird er geächtet“, sagt er. „Die Gäste bringen Palmwein, Büffel oder Schweine, gehen in ihr nummeriertes Haus und legen dort Matten aus, essen und schlafen. Die Mittelklasse – Händler, Kleinbauern, Beamte – bleiben vielleicht fünf Tage, Leute der obersten Klasse auch mal zwei Wochen.“
Buris läuft an Reisspeichern vorbei, sagt, ein Mensch gelte erst als tot, wenn der erste Büffel geopfert werde. „Vorher wird der Verstorbene mumifiziert, er liegt im Hinterzimmer des Wohnhauses eines Toraja, bis genug Geld für die Bestattung da ist.“
Fahrt zu den hängenden Gräbern
Du schweigst. „Die Angehörigen schlafen neben ihm, sie glauben, er lebt noch. Sie geben ihm Mahlzeiten.“ Buris redet. „Der Leichnam verwest.“ Er hört nicht auf. „Irgendwann stinkt er.“ Du fragst dich, womit du das verdient hast. Was ist mit dem Schnorchelparadies Manado, von dem Buris immer spricht, eine Flugstunde Richtung Norden, Sandstrände, Korallenriffe, wie wäre es damit, jetzt?
Buris erhört deine Gedanken, zumindest glaubst du das, endlich, „gehen wir zurück in den Bus“, sagt er. „Wenig später liefert er, Schlagloch, Schlagloch, einen Indonesien-Crashkurs binnen Minuten. Du siehst Häuser auf Stelzen, in Schlamm gebadete Büffel, streunende Hühner und Macadamiabäume, die Straße scheint plötzlich eben und die Übelkeit fast verflogen.
Du ahnst ja nicht, dass dir Buris heute noch mit der Taschenlampe in Familiengrüften leuchten und dich zu hängenden Gräbern führen wird, „oft an hohen Plätzen gelegen, damit sie nicht geplündert werden, den Verstorbenen werden Münzen und Schmuck mitgegeben“ – und oft nicht mehr hängend, sondern ob der Last abgestürzt, eine Kombination aus Sargtrümmern und Skelettteilen hinterlassend. Du ahnst auch nicht, dass es zum „Baby Grave“ geht, einem alten Baum, in den Löcher geschlagen und Kleinkinder gelegt werden, die verstorben sind, bevor sie Milchzähne bekommen haben.
Jetzt spürst du erst den Fahrtwind, der durch den Fensterspalt kühlt, Buris sagt, „lasst uns etwas essen“, frittiertes Gemüse und Fisch, direkt an einem See, und du denkst: Urlaub, ach.
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