: Besser: nur Überschriften
betr.: „Herzlose Abrechnung“, „Wer hat Angst vorm roten Mann?“, „Der Nachtreter“ und „Mannheimer Nächte sind lang“, taz vom 4. 10. 99
Samstags „taz ohne Überschriften“ droht ihr. Gute Idee. Besser noch: „taz: nur Überschriften.“ Heute hätte ich dann gelesen „Herzlose Abrechnung“, „Wer hat Angst vorm roten Mann?“, „Der Nachtreter“ und „Mannheimer Nächte sind lang“. „Aha“ hätte ich gesagt oder „so so“, die Zeitung angeregt beiseitegelegt und mir erspart, mich durch diese Artikel durchzumühen, um am Ende gelangweilt feststellen zu müssen: schmutzige Wäsche waschen kann manche(r) allemal besser als ein Lafontaine.
Ein aufmerksamer Blick auf Ursachen und Motive des wirtschafts/finanzpolitischen Kurswechsels Rot-Grüns von jenen harmlosen, gar nicht einmal sehr „nachfrageorientierten“ sozialen und ökologischen Reformansätzen hin zu den gerade abgewählten, dezidiert asozialen Shareholder-Value-Positionen der alten Regierung scheitert offenbar meist schon an der Wahrnehmung dieses wirtschaftspolitischen Kurswechsels, der konsequenterweise, obwohl Ursache, hinter dem Zurücktreten Lafontaines durch Schröder verborgen bleibt.
Offenkundig, dass einer, der schon bei Keynes lahmt, mit der weit über Keynes und andere hinausweisenden Frage nach dem „Verschwinden der Arbeit“ vollends überfordert sein muss. Wie bloß schaffen es angeblich moderne Gesellschaften jedes Jahr, ein größeres Bruttosozialprodukt, also mehr materiellen und ideellen Reichtum, zu produzieren und gleichzeitig einer ständig wachsenden Zahl ihrer Mitglieder einen sinkenden Lebensstandard zuzumuten? Dies paradoxerweise nicht obwohl, sondern weil ein immer geringerer Umfang gesellschaftlicher Arbeit ständig wachsenden Reichtum sichert? Naheliegend, dass das „leere Kassen“-Geblöke keine Antwort auf diese Frage, sondern ein Teil des Problems ist.
Eine Hilfe bei der Beantwortung dieser und vieler anderer zukunftsweisender Fragen erwarte ich mir von der taz – nicht mehr – neue Mittelmäßigkeit. Hans Luther, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen