■ Standbild: Besser als Feldarbeit
„Teppichgeheimnisse“, Mi., 19 Uhr, Arte
Orientalische Handknüpf-Teppiche, da denkt man an Kinderarbeit oder obszönen Luxus. Und wen, außer einen entrückten Ethnologen vielleicht, interessieren „Teppich-Geheimnisse“ in Westanatolien? Doch Autorin Barbara Trottnow gelang es, vermottete Klischees zu lüften. Sachlich und unterhaltsam zugleich führte sie in das Wollhandwerk ein: vom ausgepellten Schaf bis zum Farbbad. Die türkischen Frauen, die die so gewonnene Wolle danach mustergültig weiterverarbeiten, sind alles andere als ausgebeutete Knüpfsklavinnen. Sie machen lieber Teppiche als Feldarbeit, so einfach ist das.
Und inzwischen aussichtsreich dazu, denn sie haben eine eigene Dorfkooperative und die Istanbuler Universität im Rükken. Die organisiert den Handel und hat ihnen beigebracht, dass synthetisch gefärbte Wolle schlecht und alte, aufwendige Farbrezepte gewinnträchtig sind. Auch das ist sehr einfach. Die Frauen arbeiten selbstorganisiert und haben so ihren Männern einiges voraus, die etwas farblos und bedauernswert untätig im Teehaus hocken. Sie verdienen gutes Geld, ermöglichen der Familie den Fernseher.
Die Auskünfte der Frauen über sich selbst blieben leider beschränkt. Dabei hätten ihre Kommentare interessant sein können. Etwa was sie von der „Traditions-Überwachung“ durch die Universität halten; oder ob sich einige von ihnen nicht doch nach arbeitserleichternder Chemie zurücksehnen; und wie eigentlich ihre arbeitslosen Männer zum Kooperationstreiben stehen.
Aber der Autorin ging es eben vor allem um die Teppiche und weniger um gesellschaftliche Hintergründe. Dass ausschließlich Informationen über Wolle und Farbmatsch nicht reichen, hat sie zwar auch so gesehen. Aber weil sie das Umfeld der Frauen immer nur streifte und wenig belegte, blieb ihr Film eben doch nur ein ethnologisches Lehrstück über Teppiche mit – zugegeben schön anzuschauenden – Bildern aus der westanatolischen Landidylle.
Margret Steffen
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