: Berufsverbot: Richard von Weizsäcker gewährt Gnade vor Unrecht
■ Berufsverboteopfer Herbert Bastian darf wieder arbeiten / „Ich fühle mich rehabilitiert und nicht begnadigt“ / Entschädigung noch offen
INTERVIEW
Erstmals hat Bundespräsident Richard von Weizsäcker ein Opfer der Berufsverbote „begnadigt“ und damit möglich gemacht, daß der heute 45jährige Marburger Postbeamte Herbert Bastian in den Staatsdienst zurückkehren kann. Seinen Arbeitsplatz als Posthauptschaffner hatte Bastian 1984 verloren, weil er zehn Jahre zuvor für die DKP in den Marburger Stadtrat gewählt worden war.
taz: Herr Bastian, der Staat hat Ihnen jahrelang Unrecht zugefügt, nun haben Sie die Gnade des Staatsoberhauptes gefunden.
Herbert Bastian: Das Wort „Gnade“ höre ich nicht gern. Das Gesuch war am Ende die einzige Möglichkeit, zu meinem Recht zu kommen. Ich fühle mich rehabilitiert und nicht begnadigt.
Es bleibt aber ein bitterer Nachgeschmack. Entschädigt werden Sie nicht.
Schriftliches vom Bundespräsidenten habe ich noch nicht in der Hand, und das alles muß noch geprüft werden. Doch die finanzielle Frage ist für mich sekundär. Wichtig ist für mich, daß mir Unrecht wiederfahren ist, daß ich nun Recht bekommen habe und wieder arbeiten und die Existenz meiner Familie sichern kann.
War die Unterstützung, die Ihr Gnadengesuch gefunden hat, ausschlaggebend?
Das war ein wichtiger Punkt, weil Personen aus ganz verschiedenen Bevölkerungsgruppen, aus ganz unterschiedlichen politischen Kreisen von links bis ins konservative Lager, so etwa Golo Mann, sich für mich eingesetzt haben. Es gab auch Beschlüsse des Marburger Stadtparlaments und einen Beschluß des Hessischen Landtages gegen Berufsverbote. Nicht zu vergessen ist auch die Internationale Arbeitsorganisation in Genf, die die Bundesrepublik immer wieder wegen der Berufsverbote abgemahnt hat.
Sollten sich jetzt alle Berufsverboteopfer an Richard von Weizsäcker wenden?
Das muß jeder für sich selbst entscheiden. Ich habe viele Diskussionen geführt, bevor ich mich an den Bundespräsidenten gewandt habe. Damals waren viele wegen des unglücklichen Wortes „Gnadenerweis“ dagegen. Aber ich hoffe, daß meine Wiedereinsetzung in den Dienst zum 1.August auch für andere Berufsverboteopfer positive Folgen haben wird. Vor allem die noch laufenden Prozesse, wie der gegen meinen Briefträgerkollegen Wolfgang Repp, stehen jetzt unter ganz anderen Vorzeichen. Das Gnadengesuch war aber keine Anerkenntnis der undemokratischen richterlichen Entscheidungen gegen mich.
Mußten Sie der DKP den Rücken kehren, um die Begnadigung zu erreichen?
Das stand nie auf der Tagesordnung. Mir ist oft genung nahegelegt worden, aus der DKP auszutreten, um von weiteren Verfolgungen verschont zu bleiben. Aber das habe ich jedesmal abgelehnt. Ausgetreten aus der DKP bin ich, weil ich mit den Parteistrukturen nicht mehr einverstanden, weil die Parteiführung zu unbeweglich war und aus den Ereignissen in Osteuropa nicht lernen wollte.
Sie hatten in den vergangenen Jahren nicht einmal Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wie sind Sie über die Runden gekommen?
Mehr schlecht als recht. Vom Staat habe ich in den letzten Jahren keinen Pfennig erhalten. Meine Frau hat gearbeitet, ich war Hausmann und habe meine Kinder großgezogen. Ohne die Unterstützung durch den Heinrich-Heine-Fonds für Berufsverboteopfer wären wir unserer Existenz beraubt worden.
Interview: Jürgen Voges
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