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Berühmte Elefanten

■ „Frizz“, West3, Dienstag, 23.15 Uhr

Es ist schwierig, die Balance zu halten zwischen dem, was nicht allzu viele verschreckt und dem, was das Thema erfordert. Doch schon solche an Quoten und „Normalität“ orientierten Vorzensuren erscheinen schwachsinnig. Denen jedenfalls, die unter ca. 24 Programmen sich das aussuchen, wo „Wahnsinn“ draufsteht, kann man mehr zumuten, als es die Redaktion des WDR-Magazins „Frizz“ in ihrem Wahnsinns-Special tat. Dabei war das Konzept der Sendung vielversprechend: Dem Wahnsinn wollte man europaweit begegnen und dabei auch das Alltägliche nicht aussparen. So ließ man einen durchaus medienbewußten Bewußtseinserweiterer (Micky Remann) sprechen, der die selbstmörderischen Tendenzen der industriellen Welt als Wahnsinn deutete. Dem stellte er das durch Träume, Drogen und andere Sektenveranstaltungen (mind machines etc.) erweiterte Bewußtsein gegenüber. Es gäbe zwei Alternativen, meinte der Späthippie: Kapitulieren oder Katapultieren. Bei den Beatles hieß es noch „You gotta free your mind instead“ – das klang hübscher.

Bevor man zu den „echten“ Wahnsinnigen kam, schlenkerte „Frizz“ noch nach Genf zum Hauptsitz der Eurovision, die bis zu 500 TV-Beiträge aus allen Ländern der Welt am Tag verteilt. Was das mit Wahnsinn zu tun hatte, wurde nicht so recht klar.

Die „echten“ Wahnsinnigen, Irre aus dem Künstlerhaus der Nervenheilanstalt Gugging, winkten behäbig, freundlich und ein bißchen scheu aus dem Fernseher. Doch wieso die Künstler, deren Bilder durchaus kompatibel mit der „normalen“ Welt sind und bis zu 50.000 DM kosten, nun in der Anstalt sitzen, wurde in dem Kurzbeitrag nicht deutlich. Es schien sogar, als hätte man bewußt all das herausgeschnitten, was an den „Wahnsinnigen“ wahnsinnig ist. So wurde einer der Künstler zum Beispiel als jemand vorgestellt, der sehr mitteilsam sei. Reden durfte er jedoch kaum. Was der Maler in den zwei Sätzen, die man ihm zugestand, sagte, war sehr schön. Auf die Frage, wieso in seinem Herbstbild so viele Elefanten wären, antwortete er: „Weil sie so berühmt sind.“ Kleine Käfer male er, „weil sie so lieb sind“. Dann war schon Schluß, und man wußte nicht so recht, ob man es den Machern oder der Magazin-Struktur anlasten sollte, daß der Wahnsinn eigentlich draußen vor der Tür blieb. Detlef Kuhlbrodt

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