Bernhard Pötter über die verkorkste Ökosteuerpolitik in Frankreich: Erst denken, dann durchsetzen
Wer die Idee einer Ökosteuer für lange Zeit diskreditieren will, kann sich bei der französischen Regierung bedanken. Die hat durch die angedrohte Erhöhung der Abgaben auf Diesel, Benzin und Heizöl die „Gelbwesten“ erst aufgescheucht, dann arrogant Verhandlungen abgelehnt, um die Steuer am Ende doch auszusetzen. Und das Schlimmste daran: Diese politische Stümperei bekam auch noch das Etikett „ökologisch“.
Davon wird sich die Idee einer Öko-Abgabe lange nicht erholen. Dabei hatte Frankreich durchaus fortschrittlich begonnen: Anders als in Deutschland wird auf Benzin und Öl eine CO2-Steuer erhoben, die arme Haushalte teilweise vom Staat erstattet bekommen. Bei der aktuellen Steuererhöhung ist allerdings unklar, ob es auch so kommt.
Dem Gros der Betroffenen hat niemand erklärt, welche ökologischen Leistungen so finanziert werden sollen – wahrscheinlich keine. Und vor allem: Seit Jahren hat sich niemand um spritsparende Motoren und gut gedämmte Häuser gekümmert, die mit weniger Verbrauch von Brennstoffen gegen solche Preiserhöhungen relativ immun wären.
Bei jeder Gelegenheit gibt sich Präsident Emmanuel Macron als Super-Öko, wenn er das Pariser Klimaabkommen verteidigt und „Make the planet great again“ ruft. Bei dieser Bewährungsprobe für Umweltpolitik in der realen Welt hat seine Regierung dagegen jämmerlich versagt. Ähnlich wie die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze für ihren überfälligen Vorschlag, die Steuern auf Benzin anzuheben und die auf Strom zu senken, erlebt die Regierung in Paris einen Sturm der Entrüstung, weil man angeblich den Armen das Autofahren verbieten will.
Das ist selbstverständlich großer Quatsch. Und eine Ökosteuer, die ihren Namen verdient, ist dringender denn je. Aber wer sie vorschlägt, sollte sie gut begründen können, sollte soziale Schieflagen ausgleichen und auch bei Kritik dazu stehen. Also: Erst richtig durchdenken, dann richtig durchsetzen. In Paris wurde diese Chance gerade vertan. In Berlin steht die Feuerprobe noch aus.
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