: Berlins SPD vertagt die Regierungsbildung
■ Erst im Januar soll Entscheidung über die Fortsetzung der Großen Koalition fallen
Berlin (taz) – Die Berliner Sozialdemokraten wollen erst in zweieinhalb Monaten entscheiden, ob sie die Große Koalition fortsetzen oder in die Opposition gehen. Nach zwölfstündiger Debatte am Samstag empfahl der Landesvorstand einem in der kommenden Woche tagenden Parteitag, zuvor sowohl mit der CDU als auch mit den Bündnisgrünen Gespräche zu führen. Mit der CDU soll geklärt werden, wie nach dem Wahldebakel der SPD eine Große Koalition fortgesetzt werden kann. Mit den Grünen will man erörtern, ob beide Parteien gemeinsam eine CDU-Minderheitsregierung tolerieren könnten. Die SPD hat bei der Wahl vor einer Woche mit 23,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der Berliner Nachkriegsgeschichte erzielt.
Sollte der Parteitag wie erwartet der Empfehlung des Landesvorstands folgen, verzögert sich die Regierungsbildung um drei Monate. Das Parlament konstituiert sich zwar bereits Ende November, doch die SPD will erst auf einem weiteren Parteitag Mitte Januar die Gespräche mit CDU und Grünen bewerten und sich für verbindliche Koalitionsverhandlungen oder die Oppositionsbank entscheiden. Die Gespräche werden sich vor allem um die Sanierung des Landeshaushalts, der bis 1999 von 43 auf 39 Milliarden Mark gekürzt werden muß, um die geplante Fusion mit Brandenburg und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit drehen. Bis Januar sollen die sechs amtierenden SPD-Senatoren weiter im Amt bleiben, um „im Interesse Berlins“ die Regierungsgeschäfte fortzusetzen, sagte SPD-Landesvorsitzender Detlef Dzembritzki.
Wie eine Tolerierung eines CDU-Minderheitssenats aussehen könnte, wußte der SPD-Vorstand noch nicht zu sagen. Die Senatoren der CDU und auch Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) könnten jedenfalls weiterregieren, denn nur neue Senatsmitglieder müssen vom Parlament gewählt werden. Nach Ansicht von SPD-Bundespolitiker Egon Bahr, der an der Sitzung des Berliner Vorstands teilnahm, sollte die SPD einem Haushaltsentwurf der CDU bereits dann zustimmen, wenn „zwei, maximal drei sozialdemokratische Forderungen“ durchgesetzt worden seien. In einem Positionspapier plädierte Bahr für die Oppositionsrolle, weil der SPD bei der nächsten Wahl sonst der Fall unter 20 Prozent drohe. Dirk Wildt Seiten 10 und 21
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