Berliner Szenen: Vertreibungen im Kiez
Ick kenne Gucci
Im kleinen Mittelstreifenpark in der Kreuzberger Grimmstraße in der Nähe des Springbrunnens, in dem gerne Hunde eine Abkühlung nehmen, sitzt auf der Wiese eine Kleinfamilie und picknickt. Von der Bank am Wegesrand, wo die Alkis ihr Hauptquartier aufgeschlagen haben, seit Getränke Hoffmann „Mein Hoffi“ heißt, auf hip macht und Stammkunden nur stören, steht einer der Trinker auf und pinkelt. Ganz offen in der Nähe der Familie. „Was machst du für eine Scheiße! Das ist ja ekelhaft!“, sagt der Vater mit französischem Akzent. Der Alki schwankt und sagt: „Ick pisse, wo ick hin will!“
Die französische Kleinfamilie packt ihre Sachen zusammen. Ich denke: auch eine Methode, die Touristen zu vertreiben. Aber dieser Kampf ist schon lange verloren. Nicht mal, wenn der Alki abends auf der Admiralbrücke mitten unter den Touristen seine Notdurft verrichten würde, die dort dicht gedrängt auf dem Pflaster sitzen, wäre die Invasion noch zu stoppen. Vermutlich würde die das gar nicht stören. Sie ertragen ja sogar Gitarren und Bongos.
In der O-Straße gehe ich in einen Hipster-Laden, der seine Ware „bis zu 50 Prozent reduziert“ anpreist. Ein paar silberne Turnschuhe interessieren mich, aber die kosten trotz Rabatt immer noch 240 Euro.
Ein Penner betritt den Laden. Mitten in seinem verfilzten Haar hängt ein geflochtener Zopf. Eine Umhängetasche, Tüten, Bart, Zahnlücke, hängende Jeans. „Ey, warum isn det allet so teuer? Und wat isn dette?“ Er nimmt eine kleine silberne Figur in die Hand. „Det is doch gar keen Silber.“ Und sinnfrei fügt er hinzu: „Ick kenne Gucci.“ Ein japanischer Hipster weist ihn vorsichtig darauf hin, die Figur doch bitte wieder hinzulegen und dass sie sehr wohl aus Silber sei. Er verliert kein lautes Wort und schmeißt ihn auch nicht hinaus, wie das jeder deutsche oder türkische Ladenbesitzer längst getan hätte.
Nett, diese Hipster, denke ich. Klaus Bittermann
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