Berliner Szenen: Döner am Kottbusser Tor
Sozialer Brennpunkt
Fups Tante aus Amerika ist zu Besuch. Sie spricht aber nicht Englisch und ist auch nicht wirklich aus Amerika, sondern aus Brandenburg, wohnt aber dort in einer Ortschaft namens Philadelphia. Sie ist auch nicht wirklich eine Tante, sondern eine Freundin, aber wie Lenny, die Freundin, einmal bemerkte: „Kriegt der Freund ein Kind, ist man plötzlich Tante.“ „Aber aus Philadelphia“, sage ich.
Lenny hat Hunger. Wir spazieren zum Kottbusser Tor. Wegen eines Döners. Aber auch, weil ich ihr Berlins sozialen Brennpunkt zeigen will. Es brennt aber gerade nichts Soziales.
Fup fährt mit dem Skateboard voraus. Im Doyum Restaurant in der Admiralstraße werden gerade die Ladenfenster von den Fettresten gesäubert. „Ne danke“, sagt Lenny, „die sprühen ja Sidolin übers Essen.“ Wir überqueren den Platz und begeben uns zum Dönerladen am Eingang des Monarch. Fup hat inzwischen seine Technik geändert und fährt mit den Knien auf dem Skateboard und schiebt sich mit den Händen an. „Pass bloß auf“, sagt Lenny. „Hier ist alles voller Hundekacke und Scherben. Wenn du in eine Scherbe fasst, kriegst du eine Blutvergiftung und musst ins Krankenhaus. Ich sag dir eins, ich besuch dich da nicht. Da gibt es nämlich Keime.“ Ich finde das übertrieben. Fup sagt „ja, ja“, sieht aber keine Veranlassung, seinen Fahrstil zu ändern. Bis in den Dönerladen hinein. „Steh bitte auf“, sagt Lenny, „oder willst du den Boden hier ablecken?“
Ich nehme Döner pikant mit allem und versuche vor dem Laden an einem Tisch das Monstrum zum Mund zu balancieren. An einer Stelle hineinbeißend, quellen links und rechts davon Fleischfetzen, weiche Tomatenstückchen und Salatblätter heraus und fallen zu Boden. „Dir fällt da was auf den Boden“, sagt Lenny. „Ist für die Ratten“, sage ich. „Ratten?“, sagt Lenny, während ein Alki vorbeigeht und auf dem Boden rotzt. Sie legt den angebissenen Döner weg. „Lass uns lieber ein Eis essen gehen.“ „Au ja“, sagt Fup. Klaus Bittermann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen