Berliner Szenen: Alles muss lauter
Babysitter klingelt
Die Spülmaschine gähnt vollbeladen in Richtung Flur, Müslireste kleben an Kinderstühlen, Gekreisch und Getrappel wie in alten Westernfilmen. Wochenende, Kinder, Hausarbeit, Nieselregen. Ich glaube, Wiehern und Indianergeheul zu hören. Plötzlich schrillt die Türklingel, und für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen: Es ist die Babysitterin.
Die Kinder glotzen „Feuerwehrmann Sam“. Wir gehen aus dem Haus, T und ich – und eilen durch kalten Nieselregen in Richtung Monarch. In der U-Bahn treffen wir Kitafreund G., der auch dorthinwill. Das Schönste an dem Laden ist diese leicht nach außen gekippte Fensterfront, die immer ein bisschen an Schiff erinnert. Die meisten Gäste sind schwarz angezogen, ein Typ hat sein Basecap jagdhutgleich mit einer Feder dekoriert, eine Reinkarnation von Karasek ist auch da. Wir bestellen Bier. G. hasst Haustiere, sagt er, erzählt aber ausführlich über ein Katzenvideo, das er gedreht und ins Netz gestellt hat. Das Tier habe sich lange nicht bewegt, dann aber plötzlich gegähnt. Sehr lustig sei das gewesen. Hoffentlich wird das Konzert nicht zum Gähnen, denke ich.
Knarf, DJ Pattex und Viktor Marek fangen pünktlich an und machen sofort klar, dass es nicht langweilig wird. Knarfs Stimme erweckt in mir das Gefühl, jung und unglücklich verliebt zu sein, was aber irgendwie ganz schön ist. Vielleicht hab ich zu lange immer das gleiche Album gehört, „Das Paradies der Ungeliebten“. Warum Paradies der Ungeliebten ein Scheißtitel ist, sang Knarf darauf, lang ist das her, und ich mochte ihn noch nicht. „Love is the biggest thing“, singt Knarf jetzt, „Alles muss lauter“ und „Immer wenn es aussieht wie das Ende der Menschheit, fängt was Neues an“. „Move your ass and your mind will follow“. Wie recht er hat, Knarf Rellöm und sein Tribe. Berit Lusebrink
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