Berliner Platte : Man kann nicht immer alles haben: Mariannenplatz und Stakeout bewegen sich in abgesicherten Genres
Die Rolling Stones wussten früh Bescheid: „You can’t always get what you want“. Aber Mariannenplatz wollen nicht hören: „Ich will etwas, was besser ist, als das hier“, heißt es schon im Titelsong ihres zweiten Albums „Besser als“. Andererseits: Wenn man Pete Schulz heißt und aus dem im Berliner Speckgürtel gelegenen Hohen-Neuendorf stammt, darf man wohl noch einmal eines der allerältesten Klischees aus dem Rock-’n’-Roll-Fundus reaktivieren. Der ehemalige Facharbeiter für Werkzeugmaschinen floh als Sechzehnjähriger nach Berlin, lebte dann in Dublin, kehrte zurück, ließ sich in Kreuzberg nieder und bringt seitdem unter dem geografisch nahe liegenden Namen Mariannenplatz seine Songs heraus.
Als ihn vor einem Jahr der Erfolg überraschend ereilte und „Nicht wichtig“ dank Radio Fritz und dem grassierenden Berlin-Hype zum lokalen Sommerhit geriet, stand Pete Schulz plötzlich vor einem Problem: Das Debütalbum „Keine Zeichen“ hatte er von wechselnden Mietmusikern einspielen lassen. Also stellte er eine Live-Band für die anstehenden Auftritte zusammen, die er allerdings schnell wieder auflösen musste. So tut denn Mariannenplatz auch auf „Besser als“ nur wie eine Band, ist aber inhaltlich immer noch ein Schulz’scher Alleingang. Auf dem reimt sich nun „Wir haben so unsre Träume“ auf „Ich habe mich gefragt, was ich alles versäume“, während die Gitarren breitwandig die Wiedergeburt des Deutschrock feiern. Eine Orgel verkleistert den Sound zusätzlich, ein Piano darf wohl temperiert Besinnlichkeit suggerieren, bevor die Ballade im üblichen emotionalen Steigerungslauf ersäuft. Da hat einer studiert, wie das so geht mit dem Durchschnittsrock, hat ihn handwerklich recht sauber gefertigt und ein paar eingängige Melodien mit leidlichem Hitpotenzial komponiert. Aufregung aber geht anders, aber die wird ja auch von den Stones nur mehr verwaltet.
Zu einem ähnlich abgesicherten Genre mit Beamtenmentalität hat sich mittlerweile auch der Punkrock entwickelt. Stakeout wissen, wie man im Viervierteltakt auf einer Gitarre herumschrammelt, ab und zu in einen Ska-Rhythmus wechselt und dazu billige Scherze reißt. Auf seinem mittlerweile fünften, wieder im Selbstverlag veröffentlichten Album „Wes Kind ich ess, des Fahrrad ich klau“, lässt uns das Quartett wissen: „Die Wissenschaft hat festgestellt, was Geschirrspülmittel so enthält.“ Im Weiteren werden „Stillstaatsvertreter“ gegeißelt und „Biolatschenträger“ verhöhnt, der Konsumterror beklagt und schließlich sogar noch mal der Widerstand ausgerufen: „Und die Tat ersetzt das Geschwätz.“ Die Ärzte, offensichtlich großes Vorbild von Stakeout, sind im Vergleich dazu Geistesgrößen mit Poetenpotenzial, aber das grundsätzliche Problem teilen beide Bands: Ein Witz, so gut er auch sein mag, wird nicht besser, wenn man ihn immer wieder erzählt. Ähnliches gilt für Parolen, so richtig sie auch sein mögen. Subversiv aber war das alles vielleicht früher mal. Und das war eine Zeit, in der selbst die Stones noch nicht alles bekamen, was sie wollten. Thomas Winkler