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Berliner Kabelrat zeigt Zähne

■ Kontrollgremium will Kirch-Mehrheitsbeteiligung bei SAT1 unterbinden

In den Dauerstreit um die Machtverhältnisse bei SAT1 mischt sich nun auch der Berliner Kabelrat mit ein. Das Kontrollgremium, das über die Lizenzvergabe an private Rundfunkanbieter wacht, hat auf seiner letzten Sitzung am Montag verlangt, daß die Kirch-Gruppe ihre Mehrheitsbeteiligung an dem Privatsender aufgibt. Unlängst nämlich übernahm der Münchner Medienmogul auch die AV Euromedia des Stuttgarter Großverlegers Holtzbrink, der mit 15 Prozent an SAT1 beteiligt war, und verfügt damit nun über 55 Prozent der Gesellschafteranteile. Der Kabelrat möchte die dadurch entstandene „mehrheitliche Beeinflussung der Gesellschafterversammlung von SAT1 durch die Kirchgruppe“ reduzieren. Innerhalb eines Jahres soll Leo Kirch einen Teil seiner Anteile an Dritte verkaufen, allerdings, um die umgekehrte Machtkonzentration zu verhindern, nicht an den Axel-Springer-Verlag oder andere mit ihm verbundene Unternehmen. Der Kabelrat begründete seine Entscheidung mit den besonderen Kriterien der Lizenzvergabe. Grundlage der Auswahlentscheidungen sowohl für SAT1 als auch für RTL plus sei es gewesen, daß durch verschiedene Gesellschafter eine Machtbalance und -begrenzung entstehen sollte. Die Landesmedienanstalten müßten weiteren Konzentration von Meinungsmacht rechtzeitig entgegenwirken, heißt es in der vom Kabelrat abgegebenen Erklärung. Bevor man allerdings ernsthafte Schritte gegen den Mediengiganten Kirch erwägt, soll eine Abstimmung mit den anderen Landesmedienanstalten getroffen werden.

Die Entscheidung des Kabelrates dürfte indes dem Streit bei SAT1 neue Nahrung geschafft haben. Seit Monaten schon ist zwischen den Hauptgesellschaftern Springer und Kirch ein Kampf entbrannt, bei dem sich die Anteilseigner gegenseitig aus den Aufsichtgremien ausschließen wollen. Ein Konfliktpunkt ist nach wie vor der umstrittene Ankauf eines Spielfilmpakets zur Auffrischung des SAT1-Programms, das Kirch eingefädelt und an dem er gut verdient hat. Springer -Geschäftsführer Peter Tamm forderte daraufhin den Ausschluß Kirchs aus dem gemeinsamen Sender. Umgekehrt forderte Kirch die sofortige Abberufung Tamms.

Während sich mit den Rechtsstreitigkeiten nun die Gerichte befassen, fanden am Dienstag Aufsichtsratssitzung und Gesellschafterversammlung bei SAT1 statt. Der Antrag auf Abberufung Tamms wurde im Aufsichtsrat wie erwartet abgelehnt, in der Gesellschafterversammlung, in der die Mehrheitsverhältnisse für Kirch sprechen, wiederum sprach sich eine Mehrheit für Tamms Abberufung aus. Über die Forderungen des Berliner Kabelrates wurde vorerst nicht gesprochen.

taz

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