Berliner Fußballsensationen: Das bessere Pokalfinale

Zwei Berliner Klubs, welche die Bewegung des sozialistischen Arbeiter- und des jüdischen Sports verkörpern, dürfen vom FC Bayern München träumen.

Viele jubelnde Fußballer rennen über den Platz

Zwei Klassen schlechter, na und? Sparta Lichtenberg gewinnt 5:1 gegen den BFC Dynamo Foto: Matthias Koch/imago

Was sich im Halbfinale des Berliner Landespokals ereignet hat, lässt sich prosaisch formulieren: Am Osterwochenende besiegte ein sechstklassiger Berlinliga-Vertreter einen viertklassigen Regionalligisten; am Tag zuvor hatte ein fünftklassiger Oberligist einen weiteren Regionalligavertreter rausgehauen. Schaut man aber genauer hin, klingt es sensationell: Der SV Sparta Lichtenberg schlug den BFC Dynamo 5:1, übrigens nach 0:1-Rückstand, nachdem der TuS Makkabi den FC Viktoria 3:2 besiegt hatte. Noch aufmerksamer hingeguckt, wird es sporthistorisch: Rausgeflogen sind der zehnfache DDR-Meister BFC und der siebenfache Deutsche Meister Viktoria. Weiter sind hingegen zwei Vereine, die die beinah vergessene Bewegung des sozialistischen Arbeiter- und des jüdischen Sports verkörpern.

Einer dieser zwei Vereine hat garantiert die Chance, in der Hauptrunde des DFB-Pokals einen Spitzenklub zugelost zu bekommen. Gehofft wird auf Bayern München. Dortmund, Gladbach oder Schalke wären vermutlich eine kleine Enttäuschung. Im Profifußball wirkt eben die Zentralisation des Kapitals. Aber Klubs wie Viktoria oder Dynamo beweisen, es kann auch nach unten gehen. Sparta und Makkabi demonstrieren hingegen, dass der Fußball, der uns meist alternativlos scheint, verheißungsvoll sein kann.

Sparta Lichtenberg kickte von 1911 an im Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB). Das sozialistische Selbstverständnis wirkte bis auf den Platz: Der Regionalverband führte 1922 ein „klassenloses Spielsystem“ ein: kein Auf- oder Abstieg, sondern nur geografisch gegliederte Ligen. 1927 wurde das wieder abgeschafft. 1928 spaltete sich der Arbeitersport. Die KPD-nahen Lichtenberger fanden sich in der Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit (KG) wieder. 1933 verboten die Nazis beide, KG und ATSB. Für die illegale Arbeit wurde der SC Empor Lichtenberg gegründet. Zu den bekannten Namen gehörten Werner Seelenbinder und Erwin Nöldner: Seelenbinder nahm 1936 als Ringer an den Olympischen Spielen teil und plante dort Widerstandsaktionen. Nach Nöldner sind in Berlin ein Platz und eine S-Bahn-Station benannt. Beide wurden 1944 ermordet.

Vereine mit großer Tradition

Der TuS Makkabi bildete sich zwar erst 1970, aber steht für die im 19. Jahrhundert begründete Tradition des jüdischen, politischen Sports. 1895 entstand in Konstantinopel der erste jüdische Turnverein der Welt, 1897 fand in Basel der erste Zionistenkongress statt und 1898 wurde mit Bar Kochba Berlin der erste deutsche jüdische Sportverein gegründet.

Sowohl die jüdischen als auch die Arbeitersportler machten dem bürgerlichen Sport Konkurrenz: Es gab eigene Arbeiterolympiaden (die erste 1925 in Frankfurt/Main) und Makkabiaden (die erste 1932 in Tel Aviv). Die Nazis zerschlugen den Arbeitersport 1933. Als „arisch“ geltende Klubs, die sich bis heute für „normale Vereine“ halten, warfen ab 1933 ihre jüdischen Mitglieder hinaus. Die NS-Machthaber ließen jüdische Vereine bis 1938 existieren, dann ging Repression in offenen Terror über.

Sparta und Makkabi stehen für die bessere Geschichte des Sports. Wer von beiden im DFB-Pokal antritt, zeigt sich am 3. Juni. Neben dem diesjährigen DFB-Pokal-Finale geht es in Berlin auch um den Landespokal: im Mommsenstadion. Wie das Olympiastadion liegt das in Charlottenburg. Wer historisch bedeutsamen Sport erleben möchte, geht dorthin.

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Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989

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