piwik no script img

■ Geschichte, Tragödie, FarceBerlin so pleite wie DDR

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht – es sei denn als Tragödie und sodann als Farce.

Beginnen wir mit der Tragödie: Auf der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses sagte der Regierende Eberhard Diepgen endlich die Wahrheit: Die Berliner Schulden seien womöglich noch höher als 32 Millionen Mark. Bis die Eiserne Lady Fugmann-Heesing jetzt ihren Kassensturz machte, wurde um den Berliner Schuldenberg lange Zeit ein Geheimnis gemacht wie...

...um die Schulden der DDR. Damit sind wir mitten in der Geschichte: Es war im April 1988, als der Chef der Staatlichen Plankommission der DDR, Gerhard Schürer, Alarm schlug. Seine „Überlegungen zur weiteren Arbeit am Volkswirtschaftsplan 1988 und darüber hinaus“ waren so brisant, daß er sie nicht Wirtschaftsminister Günter Mittag vorlegte, sondern DDR-Chef Erich Honecker höchstpersönlich. Doch Honecker zuckte (wie Pieroth in der Tragödie) mit den Schultern und geißelte Schürers Warnung als Abweichung von der Parteilinie. Ans Licht kam die volle Wahrheit dann erst durch die Staatssicherheit. Die prognostizierte kurz vor dem staatlichen Konkurs im Oktober 1989 die drohende Zahlungsunfähigkeit der DDR. Die Verbindlichkeiten würden bis Ende 1989 auf 38,9 Milliarden Valutamark gestiegen sein.

Ob die DDR letzten Endes an ihren Schulden oder an Bärbel Bohley scheiterte, mögen die Historiker entscheiden. Gewisse Züge einer Farce trägt freilich der Umstand, daß dem Land Berlin nur ein paar Milliärdchen zu der Summe fehlen, die den real existierenden Sozialismus in den Ruin trieb. Will Diepgen den Berliner Kapitalismus retten, muß ihm deshalb mehr einfallen als ein läppischer Milliardenkredit. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen