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Berlin gegen Bonner Mietenpolitik

■ SPD, PDS, Berliner Mietergemeinschaft und Deutscher Mieterbund äußern heftige Kritik am Bonner Beschluß zu Mieterhöhungen im Osten ab 1. August/ Forderung nach Mietobergrenzen

Berlin. Die Berliner SPD-Fraktion und die PDS haben die in Bonn beschlossenen Mieterhöhungen ab 1. August in den neuen Bundesländern kritisiert. Nach den Beschlüssen der Bundesregierung würden die Mieten auf bis zu vier Mark pro Quadratmeter ansteigen. Damit erreichten sie »mit einem Schlag« das Mietspiegel- Niveau von Westberliner Altbauwohnungen mit niedriger Ausstattung und einfacher Wohnlage, und das sei angesichts der Wohnverhältnisse im Osten »nicht akzeptabel«, so der baupolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Otto Edel, und sein Kollege Ralf Hillenberg aus Weißensee in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Die größte Gefahr für MieterInnen liege in der geplanten Umlegung der Modernisierungskosten: Die meisten Ostberliner Altbauten, die jetzt den Eigentümern zurückübertragen werden, müßten erneuert werden. Die Kosten könnten aber trotz Wohngeldes nur wenige tragen. Hier sollten besser »klare Mietobergrenzen« Sicherheit schaffen. Auch die PDS-Abgeordnete Martina Michels merkte an, die Mieten würden dadurch um das Fünffache in die Höhe getrieben. Angesichts der Einkommensentwicklung in den östlichen Bundesländern forderte sie einen Mietenstopp bis Ende 1992.

Ein »Zusammenbrechen des Wohngeldsystems« befürchtet die Berliner Mietergemeinschaft e. V. Eine so umfangreiche Wohngeldregelung, wie sie für die neuen Bundesländer vorgesehen ist, erfordere »eine Bürokratie, die überhaupt nicht vorhanden ist«. Auch bedenke niemand, daß im Westen Anträge auf die Zahlung von Wohngeld in der Regel zwischen sechs Wochen und drei Monaten Bearbeitungszeit bräuchten. Insofern sei die Ankündigung von Bundesbauministerin Irmgard Adam-Schwätzer (FDP), daß niemand Angst haben müsse, ab Sommer seine Wohnung nicht mehr bezahlen zu können, »schönfärberisch«. Viele kranke und alte Menschen seien zudem überhaupt nicht in der Lage, mit komplizierten Wohngeldtabellen oder bürokratischen Barrieren zurechtzukommen. Doch »wer nichts beantragt, bekommt auch nichts«.

Für »notorische Volksverdummung« halten Gerhard Eichmann und Frank Bertermann von der Berliner Mietergemeinschaft den Vorschlag, Ostdeutsche sollten ihre Wohnungen für geringe Quadratmeterpreise käuflich erwerben. »Nicht mal geschenkt dürften die Leute die Wohnungen nehmen, da überhaupt niemand absehen kann, welche künftigen finanziellen Belastungen die Eigentümer erwarten.«

Auch der Deutsche Mieterbund will die neuen Mietregelungen nicht hinnehmen. Er forderte den Bundesrat aufgefordert, die Mieterhöhung in der vorgesehenen Form — ohne Mietobergrenzen — abzulehnen.

Unterdessen kündigte CDU- Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky ein Ausgleichsprogramm für die Mieten in Ost-Berlin an: »Wenn die Mieten durch Bonner Erlasse so weit erhöht werden, daß auch die Bonner Wohngeldregelung nicht ausreichend ist, muß die Landesregierung ein Ausgleichsprogramm, eine Art ‘Wohngeld zwei‚, schaffen.« taz/dpa/adn/afp

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