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Benni Bärenstark niest

■ Gucken und Kaufen: Der 3. Comic-Salon auf Kampnagel wagt wenig

Mit elf Ausstellungen, einer Verlagsmesse und einem Trickfilmprogramm im Alabama-Kino will der Comic-Salon am Wochenende auf Kampnagel dem Comic „als Kulturform“endlich zur Anerkennung verhelfen. Ein edles Ansinnen, fraglos. Allerdings waren die bisherigen Betätigungen des Organisators „Verein Neunte Kunst“wohl eher Teil des Problems denn Teil der Lösung. Nach seinen geflopten Salons in den Deichtorhallen (1993 und 1995) – mit legendären Auswüchsen an Desorganisation, vermurksten Ausstellungen, verprellten Zeichnern und Besuchern – gehört jedenfalls einiger Mut dazu, sich am ruinierten Comic-Standort Hamburg noch einmal mit einer Großveranstaltung auszuprobieren.

Keine Experimente, heißt diesmal die Devise. Das Volk soll gucken und kaufen: Vorträge und Diskussionen sind diesmal nicht vorgesehen. Im Ausstellungsprogramm wird auf maximalen mass appeal gesetzt. Einmal mehr gibt es die beliebten Knollennasenmännchen von Ralf König zu sehen; Sponsor Stern präsentiert seinen Chef-Karikaturisten Tetsche (Neues aus Kalau) und die Tittenzeitschrift Praline lockt das Publikum mit „erotischen Interpretationen der zwölf Tierkreiszeichen“vom belgischen Comic-Zeichner Dany.

Aber genug genörgelt: Zwei unbedingt sehenswerte, ach was, wirklich großartige Ausstellungen lassen sich im Programm-Einerlei ausmachen. „Jochen Enterprises“aus Berlin zeigen die schönsten Seiten aus Frank, einer ebenso bunten wie bizarren Serie mit einer masochistischen Katze in der Hauptrolle. Das geschmacklich unbestechliche Comics Journal jedenfalls rühmt Jim Woodrings Verbindung von „reiner Farbe und expressiv schweigenden Bildern“und vergleicht sie mit der Musik von John Cage.

Und schließlich: die große Peyo-Retrospektive. Peyo ist der Schöpfer der Schlümpfe, doch davon sollte sich niemand abschrecken lassen. Zwar sind die Schlümpfe zu Symbolen für alles das geworden, was in der populären Kultur schlecht und entfremdet ist. Aber sind das noch die Schlümpfe, wie sie sich selbst sehen? In der Ausstellung wird dokumentiert, wie sie ihre Karriere als sympathische Seiten-Gag-Wichtel bei Johann und Pfiffikus begonnen haben – Ende der fünfziger Jahre, als die Welt auch anderweitig noch in Ordnung war.

Zur Verzückung jedes wahrhaften Comic-Freundes sind überdies Originale aus einem vergleichsweise vernachlässigten Werk Peyos angekündigt: Benni Bärenstark! Der kleine Junge mit der Baskenmütze, der unglaubliche Superkräfte besitzt, solange er keinen Schnupfen bekommt, und sein Freund, der Taxifahrer Herr Fitzke – zwei Charaktere, deren Bedeutung für die Comic-Geschichte bis heute weit unterschätzt wird. Dabei bieten Bennis Abenteuer die vorzüglichste Synthese aus scharfsinnig travestierten Männerphantasien (bärenstark, Baskenmütze) und komplizierten Kriminalplots, die direkt dem film noir entsprungen sein könnten.

Hier beweist der „Verein Neunte Kunst“endlich einmal eine glückliche Hand. Keine Frage: Wer wissen will, warum Comics eine „Kulturform“sind, wird bei Benni Bärenstark bestens belehrt.

Jens Balzer

Do, 8. Mai, 12-20 Uhr; Freitag, 9. Mai bis Sonntag, 11. Mai, 10-20 Uhr, Kampnagel

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