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Bekannte Leidensmiene

betr.: „Wir sind stolz, nicht Peter Stein zu sein“ (Der Theaterregisseur Peter Stein beharrt darauf, die Shoah in Zukunft „Juden-Grillen“ nennen zu dürfen), taz vom 24. 4. 01

Es scheint so, als ob mit der Erklärung, die Peter Stein im Interview der Süddeutschen Zeitung vom 25. April gab, die (nicht wirklich breite oder intensive) Entrüstung über seine Äußerung verflogen sei. „Ich interessiere mich nicht für Provokationen“, sagt Peter Stein. Nein, das tut er nicht, denn er steht noch immer „ehrlich“ zu dem, was er gesagt hat, nur, dass er das Wort vom „Juden-Grillen“ gegen seinen Vater gewendet hätte, Ingenieur, Profiteur des NS-Regimes. Wieder einmal hat ein deutscher Intellektueller das gesagt, was ihm auf dem Herzen liegt. „Ich will ja niemanden verletzen. Ich wollte nur berichten“, so seine Worte im Interview. Und in seinen Worten wird die nicht nur aus der Walser-Bubis-Debatte so bekannte Leidensmiene deutlich, dass man „nicht sagen darf, was man so gerne sagen möchte“, nämlich endlich deutsch zu sein ohne die jüdische Geschichte.

Warum der „Ausrutscher“ von Peter Stein so aufmerksam betrachtet werden sollte, ist keineswegs, weil der offizielle Tonfall Deutschlands obligatorisch gewahrt werden sollte. Es ist nicht allein, weil die Leserforen zu Peter Stein vor antisemitischen Äußerungen nur so bersten. Vielmehr sind die Strategien, allzu bekannt und doch immer wiederholt, zu beachten: Das Kind der Generation der Täter, der seinen Weg in das „freie Intellektuellentum“ genommen hat, der jegliche verpflichtende Verantwortung an das Erbe, aus dem er selbst profitiert hat, ablehnt, und (als Theatermann, dessen Medium die Sprache ist) die Ungeheuerlichkeit seiner Worte nicht einsehen will, der sich vielmehr selbst als Opfer hinstellt. Von der Presse „falsch“ zitiert, versucht Peter Stein nun nicht, sich zu entschuldigen, denn „ihr von der Presse schreibt doch sowieso, was ihr wollt...“. Ja, Herr Stein, hoffentlich schreibt die Presse auch weiterhin so wie die taz, was sie will, und fordert von Ihnen, der so gern deutsche Kulturgüter vollständig zelebriert (Faust) doch noch einmal eine nachhaltigere Erklärung.

MARLEN SCHNEIDER, Hamburg

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