: Beiräte-Aufstand niedergeschwiegen
■ Senat und Bürgerschaft verweigern seit Juni Auseinandersetzung mit Beiräte-Forderungen
Der Rücktritt von Hucky Heck als Ortsamtsleiter Mitte/Östliche Vorstadt hatte im Juni zu einem Ausbruch der Empörung unter Bremens seit 1991 direkt gewählten Beiräten geführt. Auf einer großen Protestversammlung hatten sie einstimmig Forderungen zur Erweiterung und klareren Definition ihrer Rechte erhoben. Doch ein halbes Jahr später ist nicht nur der vakante Posten im Viertel wieder besetzt (vgl. Interview mit Hecks Nachfolger Robert Bücking auf Seite 22), sondern auch der Forderungskatalog der Beiräte unerledigt zu den Akten gelegt worden.
Passend zu der heute abend im Beirat Mitte angesetzten Diskussion über dieses unrühmliche Ende der großen Forderungen des Sommers wird der Grüne Peter Puppe nach siebenjähriger Beiratsarbeit zurücktreten. Er habe keine Lust mehr, noch länger den „Tanzbären des Senats“ zu spielen, in der Sache aber „keinerlei Mitgestaltungsmöglichkeit“ zu haben, heißt es in seiner Rücktrittserklärung. Und weiter: „Politik im Beirat verkommt immer mehr zum Puffer zwischen Bevölkerung im Stadtteil und abgehobener, oft schwer zu vermittelnder Senatspolitik.“
Besonders empört hat nicht nur Puppe ein Brief des für die Beiräte zuständigen FDP-Innensenators an den Ampel-Koalitionsausschuß. Klipp und klar hatte Friedrich van Nispen darin formuliert: „Leider – so muß ich immer wieder feststellen – sind die Beiräte der Auffassung, daß ihnen weitergehende Kompetenzen als im Beiratsgesetz aufgeführt zustehen. Übersehen wird des öfteren, daß die bestehenden Richtlinien die Zusammenarbeit der Ortsämter und Beiräte mit verschiedenen Senatsressorts präzise regeln.“
Genau diese Klarheit in der Kompetenzverteilung hatten die Beiräte seit der Novellierung des Gesetzes und eines Staatsgerichtshof-Urteils vom Juli 1989 vermißt. Deshalb forderten sie im Juni auch einstimmig eine „Durchführungsverordnung zum Beirätegesetz“, in der endlich festgelgt werden müsse, wo die Rechte der Beiräte zum Beispiel in der Verkehrspolitik im Verhältnis zur senatorischen Verkehrsplanung liegen. Außerdem sollte eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Beiräten und Bürgerschaft über die Novellierung des Gesetzes beraten. Insbesondere wurde dabei die Einführung des Rechtes gefordert, kleinere Bauaufträge zur Beschleunigung der Maßnahmen direkt durch das Ortsamt vergeben zu dürfen.
Bis heute hat sich die vor sechs Monaten verlangt Arbeitsgruppe allerdings nicht gebildet. „Wir haben alle Bürgerschaftsfraktionen aufgefordert, sich zu beteiligen, aber bei SPD und FDP sind wir von Anfang an abgeblitzt“, begründet Gesamtbeiratssprecher Bernd Huse (CDU) sein Scheitern. Ab Januar will sich deshalb eine Beiräte-Arbeitsgruppe ohne Bürgerschaftsbeteiligung Gedanken über eine Gesetzes-Änderung machen.
Zu den anderen Forderungen der Beiräte hat sich die Ablehnung des Senats eher noch verfestigt. Selbst die Vergabe kleinster Bauaufträge oder kleine Anschaffungen der Beiräte oder Ortsämter aus eigenen Mitteln sei abzulehnen, heißt es dazu in van Nispens Brief an den Koalitionsausschuß. Begründung: „Wegen der zum Teil nicht vorhandenen Kompetenz bei der Beurteilung bautechnischer Sachverhalte würde sich das Verfahren eher komplizierter gestalten.“ Und billiger sei die direkte Beauftragung oder Anschaffung auch nicht, denn „da sich Beiräte bei evtl. eigenen Ausschreibungen an die gleichen Vorgaben halten müssen, werden in der Konsequenz auch gleiche Kosten anfallen“.
Genau dies hatten Beiräte immer wieder angezweifelt, wenn sie beobachteten, wie ihre Pläne und Beschlüsse jahrelang in den Schreibtischschubladen des Bauressorts oder des Gartenbauamtes verschwanden. „Arbeitsverweigerung“ hatte dies Hucky Heck in einem taz-Interview nach seinem Rücktritt genannt. Ase
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