: Beifall vom rechten Rand
Auf seiner Homepage duldete das Volksbegehren „Mehr Demokratie beim Wählen“ eine Woche lang die rechtsextreme Wählervereinigung „Bürger in Wut“ als „Unterstützer“
Von Christian Jakob
„Kalter Zwangsentzug“ für Drogenabhängige, Strafmündigkeit für zwölfjährige Kinder, „Assimilation“ als Zielvorgabe für Zuwanderer – die gesellschaftspolitischen Vorstellungen der rechtskonservativen Wählervereinigung „Bürger in Wut“ wirken wenig demokratisch. Dennoch fand sich bis vor einigen Tagen das Emblem der aus der Bremer Schill-Partei hervorgegangenen Gruppierung auf der Homepage des Volksbegehrens „Mehr Demokratie beim Wählen“ – als „Unterstützer“, gemeinsam mit „attac“, Grünen, Linkspartei und dem DGB.
„Vielleicht eine Woche“ war der Banner des von der rechtsextremen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ als politische Hoffnung gefeierten Wahlvereins auf der Homepage, sagt Paul Tiefenbach, Sprecher des Volksbegehrens und ehemalige Bremer Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete. Dann sei der Eintrag vorerst entfernt worden. Laut Tiefenbach „aus verschiedenen Gründen“: Zum einen hätten sich andere Unterstützer beschwert, weil es sich bei „Bürger in Wut“ um die Reste der Schill-Partei handelt. Zum anderen habe „Bürger in Wut“ keinen Vorstandsbeschluss für die Unterstützungserklärung eingereicht. Dieser sei aber notwendig, um auf die Liste zu gelangen.
Wie das Volksbegehren entscheiden wird, wenn „Bürger in Wut“ mit einem offiziellen Beschluss erneut versucht, als Unterstützer aufgeführt zu werden, ließ Tiefenbach offen: „Dann müssten wir uns das Programm von denen noch einmal genauer ansehen.“ Grundsätzlich arbeite man mit jedem zusammen, „der die Wahlrechtsreform unterstützt“. Ausgenommen seien faschistische Organisationen. Darum handele es sich bei „Bürger in Wut“ aber nicht.
Dass eine parteienkritische Programmatik wie die von „Mehr Demokratie“ immer wieder auch das rechte Spektrum anspricht, belegt Tiefenbach zufolge keine ideologische Nähe. „Wir fordern Wahlrechtsreformen, um die parlamentarische Demokratie zu stärken. Rechtsradikale wollen sie überwinden. Darin unterscheiden wir uns fundamental.“ Der für das Volksbegehren verantwortliche „Mehr Demokratie“-Verein hat sich in seiner Satzung dem „wachsenden Verlangen der Menschen nach Selbstbestimmung“ verschrieben und ist derzeit in Bremen damit beschäftigt 48.175 Unterschriften für einen Volksentscheid über eine Wahlrechtsreform zu sammeln. Diese soll unter anderem Wählern die Möglichkeit einräumen, Kandidaten unabhängig von deren Platzierung auf den Parteilisten direkt wählen zu können.
„Bürger in Wut“ ist 2004 gemeinsam mit der Wählervereinigung „Aufrechter Gang“ aus der aufgelösten Bremer Schill-Partei hervorgegangen. Im Gegensatz zu „Aufrechter Gang“ zeigt der Vorsitzende von „Bürger in Wut“, der Kriminalbeamte Jan Timke, allerdings überregionale Ambitionen und eröffnete ein Büro in Berlin. Im Wahlprogramm von „Bürger in Wut“ finden sich Forderungen nach drastischen Straf- und Ausländerrechtsverschärfungen. So will Timke eine „Senkung des Ausländeranteils in allen Städten und Gemeinden auf 15 Prozent“ oder auch die „Inhaftierung uneinsichtiger Erst- und Gelegenheitstäter in kargen Einzelzellen“. Weiterhin betreibt der Verein eine Kampagne gegen einen EU-Beitritt der Türkei.
„Bürger in Wut“ ist nicht der einzige Berührungspunkt der Wahlrechtsreformer mit dem rechten Spektrum. Der Kuratoriums-Vorsitzende des Bundesverbandes von „Mehr Demokratie e. V.“, der bekannte Speyerer Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim, ist seit Jahren Gastautor der „Jungen Freiheit“.