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Bei der Jungen Union wird „abgezockt“

■ Gelder wurden bei CDU-Nachwuchs in Brandenburg falsch abgerechnet / Untersuchungen auch gegen Berliner JU

Seit einigen Wochen ist in der Jungen Union (JU) in Brandenburg an politische Arbeit kaum noch zu denken. Rechnungen und Belege werden geprüft, Mitglieder des CDU-Nachwuchses nach Potsdam in die Landesgeschäftsstelle bestellt und befragt. Nach einer Finanzrevision mußte der Landesvorsitzende Thomas Lunacek feststellen, daß sich „offenbar eine Mentalität des Abzockens bei uns breitgemacht hat“.

Rund 7.000 Mark aus dem Bundesprogramm für den „Aus- und Aufbau von Trägern der freien Jugendhilfe in den neuen Bundesländern“ (AFT) sind nach Angaben von Lunacek „nachweislich“ unkorrekt abgerechnet worden. Rechtlich verantwortlich für die Zahlentrickserei zeichnet ein inzwischen ausgetretenes Mitglied, der über die „Junge Union Deutschland“ im Rahmen des AFT-Programms angestellt worden war. Bei seinen dubiosen Abrechnungen sollen auch Mitglieder der Berliner JU mitgemischt haben, darunter ein stellvertretender Landesvorsitzender.

Ihnen wird vorgeworfen, Referentenhonorare für nicht gehaltene Vorträge ausgestellt, Quittungen von Teilnehmern gefälscht und Fahrgelder an Personen ohne Führerschein vergeben zu haben. Einige Berliner JU-Mitglieder wurden bereits von der Brandenburger JU vorgeladen, um Rede und Antwort zu stehen. Andere sollen noch folgen. Laut Lunacek werde auch geprüft, ob Gelder unterschlagen worden sind.

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten hatte die CDU-Nachwuchsorganisation in Potsdam bereits Anzeige beim Bundesministerium für Frauen und Jugend in Bonn gestellt, das für die Verteilung der AFT-Gelder zuständig ist. Die JU Brandenburg will nun alle unrechtmäßig abgerechneten Bildungsseminare – nach Lunacek „eine Handvoll“ – an Bonn zurückzahlen. Wenn auch nur ein Teilbereich eines durch AFT-Gelder geförderten Seminars falsch berechnet wurde, muß die Gesamtsumme zurückerstattet werden. Nach Angaben des Brandenburger JU-Vorsitzenden beläuft sich die Summe „auf ein Mehrfaches des Schadens in Höhe von 7.000 Mark“.

Beim Bonner Frauenministerium wurde die Überprüfung bestätigt. Schärfere Kontrollmaßnahmen bei der Vergabe von AFT-Geldern lehnte der Sprecher des Ministeriums, Martin Dopychai, jedoch ab: „Das würde nur unnötig die Bürokratie aufblähen.“ Die zwischen Konservativen und Reformern zerstrittene JU- Berlin, auf deren letzter Landeskonferenz im Dezember 1993 das Thema bereits besprochen wurde, steht vor einer erneuten Zerreißprobe. Ein JU-Mitglied erklärte gegenüber der taz, es müsse im Interesse des Landesverbandes sein, daß eine „saubere und ehrliche Politik ohne Mittel der Vorteilsnahme praktiziert wird“. Sollten die Anschuldigungen zutreffen, müsse umgehend gehandelt werden. Es könne nicht angehen, daß in der JU „Leute geduldet werden, die mit dem Vorsatz der Bereicherung in die Politik gehen“. Der Berliner JU-Vorsitzende Heiner Kausch will zunächst die internen Untersuchungen des Nachbarverbandes abwarten. „Erst dann werden wir zu bewerten haben, ob sich unsere Mitglieder eines unkorrekten Verhaltens schuldig gemacht haben“, erklärte der 27jährige gestern gegenüber der taz. Severin Weiland

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