HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER : Bei den Brombeeren
Bei diesem Wetter fällt Regen auf die Brombeeren. Er wäscht die Abgase der vorbeifahrenden Autos von den Beeren herunter. Insgesamt reicht die Hecke wohl nicht, um mehr als fünf oder zehn Gläser daraus zu machen; wäre man findig, würde man die Marmelade dann „Hamburger Freiheit“ nennen, fesch verpacken und in Designerläden und kinderfreundlichen Cafés verkaufen.
Aber bis dahin ist es noch was hin, und jetzt steht da erstmal ein Mann vor den Brombeeren. Er wäscht seine Kleider nicht, sondern er tauscht sie aus, in Poppenbüttel, wo es eine schöne Sozialstation gibt für sowas. Seine Zähne putzt er wohl auch nicht, aber anstatt auch sie irgendwo zu tauschen, verliert er sie einfach, einen nach dem anderen.
In den Brombeersträuchern pflückt er ein, zwei Früchte, geht weiter, es regnet ja. Er könnte überall sein, er könnte jedermann sein, aber mir erzählt er, dass er seine Diplomarbeit damals, als 22-jähriger Offizier, darüber geschrieben habe, ob Frauen sich zu Aufklärungsoffizieren eignen. Seiner Meinung nach nicht, das fand der General auch, durfte ihm für die Arbeit trotzdem nur eine 3 geben.
Freunde, das erzählt er auch, hat er wenige. Nur einen, mit dem geht er manchmal spazieren, der freut sich, hat vor zwei Jahren seine Frau verloren. Zum Abschied grüßte er mich, „man sieht sich“. Er ist ja meistens hier.