piwik no script img

Behindertenberatung gefährdet

■ „Selbstbestimmt leben“: Finanzierung bis zum Sommer — oder das Ende naht

Seit 1986 gibt es für Behinderte eine wichtige Adresse: Wer Hilfe in Streitigkeiten mit der Krankenkasse braucht, wer über Nachbarschaftshilfe oder Rentenfragen Auskunft sucht, wer etwas über Ausbildungsmöglichkeiten wissen will, der kann sich an die Beratungsstelle „Selbstbestimmt leben“ wenden, die der gleichnamige Verein am Ostertorsteinweg 98 betreibt.

Doch dem Verein steht das Wasser bis zum Hals. „Wir haben zum 1. April die Beratungstätigkeit offiziell eingestellt“, verkündete jetzt Henry Meyer, der für die Koordination der diversen Tätigkeiten zuständig ist, vor der Presse. Der Grund: Von den bis vor kurzem acht Beschäftigungsverhältnissen sind nur noch zwei finanziell abgesichert. Von den fünf ABM-Stellen sind drei ausgelaufen.

Noch mehr aber schmerzt den Verein, daß die Finanzierung der drei Dauerarbeitsplätze nicht mehr gesichert ist. Die drei Stellen waren im Dezember 1990 geschaffen worden, um die Arbeit des Vereins etwas ABM-unabhängiger zu gestalten. Finanziert wurden die Stellen durch einen 50-Prozent-Zuschuß des Arbeitsamtes aus der Schwerbehindertenabgabe, die Unternehmen zahlen müssen, die zu wenig Behinderte beschäftigen. Die zweite Hälfte der Kosten wurde bislang aus dem Haushalt der Senatorin für Soziales getragen.

Angesichts der Sparmaßnahmen ist es jetzt zweifelhaft, ob die Stadt Bremen sich weiterhin mit einem Zuschuß beteiligen wird. „Sie wollen, daß die Beratungsstelle bleibt“, meint Henry Meyer zwar nach ersten Gesprächen. Doch diese städtische Bereitschaft ist an eine Bedingung geknüpft. Im Bund wird nämlich zur Zeit überlegt, eine Modellförderung für die bundesweit acht Beratungszentren für Behinderte aufzulegen. Falls Ende April positive Signale aus Bonn kommen, dann, so hofft Meyer, werde Bremen für dieses Jahr noch einmal einspringen. Falls die Hoffnungen nicht erfüllt werden, steht „Selbstbestimmt Leben“ vor dem Aus. Meyer: „Wenn wir bis Juli 1992 keine Klarheit haben, sehen wir uns gezwungen, die Beratungsstelle zum Herbst endgültig zu schließen.“ Bis dahin können sich InteressentInnen telefonisch einen Beratungstermin holen. hbk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen