piwik no script img

Begnadigung vor Hinrichtung abgelehntUS-Häftling droht Erschießung

Ronnie Lee Gardner soll am Freitag im Staatsgefängnis in Utah hingerichtet werden - durch Gewehrkugeln. Ein Ausschuss lehnte seine Begnadigung am Montag einstimmig ab.

Der Stuhl, auf dem Ronnie Lee Gardner erschossen wird. Bild: dpa / Gefängnisbehörde Utah

WASHINGTON dpa | 25 Jahre nach seinem Todesurteil soll der 49-Jährige Ronnie Lee Gardner am Freitag hingerichtet werden. Die Entscheidung eines Ausschusses am Montag fiel einstimmig – keine Gnade für den Häftling im Gefängnis in Draper. Er soll um kurz nach acht Uhr im Staatsgefängnis von Utah durch Gewehrkugeln sterben.

Die letzte Hoffnungen des Gefangenen ruhen auf dem höchsten Gericht in Utah und dem Supreme Court der USA. Gardners Anwälte haben bei der höchsten staatlichen Instanz eine Aussetzung der Exekution beantragt, lehnt diese das ab, wollen die Rechtsvertreter den Obersten Gerichtshof in Washington einschalten. Rechtsexperten sind sich aber einig: Die Aussichten auf einen Erfolg sind schlecht.

Gardner hatte 1985 bei einem Fluchtversuch in einem Gerichtsgebäude einen Rechtsanwalt erschossen und einen Justizangestellten schwer verletzt. Er befand sich damals in Untersuchungshaft und sollte an dem Tag wegen Mordes an einem Barmann angeklagt werden. In seinem Begnadigungsgesuch hat er geltend gemacht, dass er seine Verbrechen zutiefst bereue und ein anderer Mensch geworden sei.

Im April hatte Gardner selbst entschieden, dass er nicht durch die Giftspritze hingerichtet werden will, sondern durch Gewehrschüsse. Die Gründe hierfür hat er bisher nicht genannt. Menschenrechtsorganisationen hoffen, dass der Wirbel um Gardners Exekution die Diskussion über die Todesstrafe neu belebt. Zugleich wird befürchtet, dass dadurch die Hinrichtungen durch die Giftspritze "human" erscheinen – was sie nicht seien. Jede Hinrichtung, so betonen etwa Amnesty International oder die Human Rights Watch, sei barbarisch: "Es gibt keine humanen Exekutionen."

Gardner würde zum dritten Gefangenen, der seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 in den USA durch ein Erschießungskommando getötet wird – alle drei Hinrichtungen dieser Art gab es in Utah, das damit erneut in die Schlagzeilen gerät. Journalisten aus aller Welt waren 1996 ins dortige Staatsgefängnis geströmt, als der verurteilte Kindermörder John Albert Taylor im Kugelhagel starb. Davor war es Gary Gilmore, der 1977 Sekunden vor den Schüssen seine Scharfrichter aufforderte: "Let's do it", nun macht schon.

Gilmore konnte sich seinerzeit für Erschießen oder Erhängen entscheiden. Er sagte, er wolle dem Staat nicht die Gelegenheit geben, sich hinter einer "unblutigen" Hinrichtung zu verstecken. Der Welt müsse die Barbarei von Exekutionen drastisch vor Augen geführt werden. Ähnlich hatte sich auch Taylor geäußert, der – wie jetzt Gardner – durch eine Giftinjektion hätte sterben können. Taylor erklärte, dass er durch die blutige Exekutionsmethode auf die Hinrichtungen in den USA als "staatlich sanktionierte Morde" aufmerksam machen wolle. Utah hat 2004 die Erschießungskommandos abgeschafft, nur noch davor verurteilte Häftlinge können sie wählen.

Gardner wird bei der Hinrichtung auf einen Holzstuhl geschnallt. Nachdem eine Kapuze über sein Gesicht gezogen worden ist, wird mit einem Stethoskop festgestellt, wo genau sein Herz schlägt und die Stelle dann mit einem Stück Tuch markiert. Fünf Todesschützen stehen bereit, rekrutiert aus den Reihen der Strafverfolgungsbehörden. Sie schießen gleichzeitig, einer von ihnen mit einer Platzpatrone, damit offen bleibt, wessen Schüsse tödlich waren. Das soll lebenslange Schuldgefühle verhindern. Und vermutlich werden auch Sanitäter bereitstehen, für den Fall, dass die Augenzeugen der Hinrichtung den blutigen Anblick nicht verkraften.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

23 Kommentare

 / 
  • J
    Jörn

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Ich kann einfach nicht begreifen, daß es in der heutigen Zeit in einem (demokratischen???) Staat wie die USA immer noch die Todesstrafe gibt. Wann wird sie endlich abgeschafft?

  • F
    Friedel

    Das Todesurteil und die Hinrichtung gehen für mich soweit in Ordnung. Auch der Vollzug durch ein Erschiessungskommando. Im Gegensatz zur "Einschläferung" per Giftspritze halte ich dies für einen würdigeren Tod. Nicht in Ordnung halte ich aber, dass der Verurteilte 25 Jahre absitzen musste, bis endlich sein Todesurteil vollstreckt wird. Das ist eine ungerechte Doppeltbestrafung. In anderen Ländern wäre er jetzt spätestens freizulassen.

  • G
    gaijinette

    Bevor es zu spät ist...:

     

     

    In case any US-American reads here:

     

    DO NOT KILL Mr. Gardner

    (nor any other people).

     

    Execution = murder, there's nothing to be discussed about it. Everyone accepting death penalty is a a complice of a murder or a murder system.

     

    Abolish Death Penalty NOW.

     

     

    --Lothar Gebhardt, Saarland, FRG (gaijinette)

     

    P.S.: I appreciate the USA but death penalty is not a sign of a civilized country. (Over here, Nazi-BND clandestinely kills too, but at least our constitution forbides killing.)

  • S
    Stefan

    Ich kann mir nicht vorstellen das ein Schütze es merkt das er mit einer Platzpatrone schießt.Es kommt doch das komando "Feuer",und alle Schießen.Wie will derjenige hören das er mit einer Platzpatrone geschossn hat?Aber was mich viel brenender interessiert ist die frage,was passiert wenn die schüsse nicht tötlich sind?Bekommt der Deliquent nen Kopfschuss?

  • F
    Flo

    "Was bringt Vergeltung?"

     

    Es bringt Genugtuung/ Vergeltung xDD

     

    Allerdings stimme ich den meisten Vorrednern zu. Das Strafsystem in den USA hätte eine Generalüberholung dringend nötig. Auch eine Verstaatlichung der Gefängnisse wäre angebracht.

     

     

    "Amerika - ein rückständiges Land. Und der Bevölkerung ist es egal."

     

    Amerika ist weder rückständig, noch wär es der Bevölkerung egal. Beides ist sehr verallgemeinernd.

     

     

    "wird sie keine Demokratie, kein Rechtsstaat sein,"

     

    Die USA ist sowohl eine Demokratie (sogar eine starke) als auch ein Rechtsstaat. Ob es dir passt oder nicht...

     

     

    "Dieses Land ist so wiederlich."

     

    Die allermeisten Sachen die du so widerlich an den USA findest, gibt es in gleicher Form auch in den unterschiedlichen Ländern Europas. Findest du Europa deshalb genau so widerlich?

  • HK
    hardy Klag

    Schlimm das ein Land, dessen Astronauten schon zum Mond geflogen sind und das mehrmals, die Todesstrafe noch anwendet. Ein echtes Armutszeugnis für die USA. Das zeigt das wahre Gesicht einer kapitalistischen Gesellschaft. Kein Mensch hat das recht zu töten, egal aus welchen Gründen auch immer. Das gilt auch für die Justiz.

  • AE
    Anton Erdnusscreme

    @unwichtig

     

    Also gerade mit der alttestamentarischen Gottheit gegen Gewalt zu argumentieren ist ja bestenfalls naiv.

     

    Darüber hinaus empfinde ich die Todesstrafe auch nicht gerade als eine positive Errungenschaft der Zivilisation. Vor allem weil sie so furchtbar absolut, und bei Fehlentscheidungen nicht wieder rückgängig oder gutzumachen ist. Und genau für diese Erkenntnis ist der Glaube an ein Leben nach dem Tode eher hinderlich.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Keine Kompromisse mit der Todesstrafe! Wer sie beantragt, verhängt, vollstreckt oder in anderer Form Hinrichtungen unterstützt muss als Mörder benannt und verurteilt werden. Es gibt keinen Unterschied zu anderen Mördern. Sie müssen,je nach Tatumständen, mindestens 25 Jahre Haft verbüßen.

    Zu den Ausführungen des ersten Leserbeitrages: @unwichtig,du bist überlebenswichtig. Ich bezeuge Dir meine Hochachtung!

  • U
    unwichtig

    Du sollst nicht töten!

     

    Nur Gott schenkt und nimmt Leben!

     

    Wir Menschen meinen die Kröung der Schöpfung zu sein und benehmen uns wie Primaten.

     

    Auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren ist primitv!

     

    Erst recht nach 25 Jahren: Menschen ändern sich!

     

    Was bringt Vergeltung?

  • CR
    Christian R

    Ich frag' mich ob es tatsächlich stimmt dass einer mit 'ner Platzpatrone schiesst. Wer beim Bund war oder irgendwo anders selber mal geschossen hat, weiss dass ein Schuss mit Platzpatrone ganz 'anders' ist als mit 'ner echten Patrone. Der Knall ist völlig anders, und - weil die Explosion keine Kugel aus dem Lauf zu drängen braucht - der 'Rückschlag' des Gewehrs ist viel geringer. Ein etwas erfahrener Schütze würde sofort merken dass er mit 'ner Platzpatrone geschossen hat. (Und ich nehme doch mal an dass man nicht absolute Anfänger bei so einer Hinrichtung einsetzt)

  • HW
    Hans Wurst

    Ich finde die Hinrichtung durch ein Peleton um einiges menschenwürdiger, als mit Giftspritze oder Gas. Bei den Letzteren wird man eingeschläfert wie ein Tier. In der gleichen Situation würde ich meinen letzten Wunsch ähnlich formulieren, jedoch nicht um die Justiz und ihre Büttel zu kompromitieren, sondern, um wie ein Mensch aufrecht zu sterben.

  • T
    TheK

    Dolle Christen sind dat. Der ganze Staat Utah frömmelt so sehr, dass selbst der Bible Belt drüber lacht, aber "Zahn um Zahn" steht immer noch höher als die Nächstenliebe. Toll auch, wie der Fall mal wieder den Käse der gesparten Kosten widerlegt - nach 25 Jahren ist in den meisten europäische Staaten jeder Straftäter wieder draußen; ohne dass davon ein wirklich nennenswerter Anteil rückfällig wird (das sind eher die Kleinganoven).

  • W
    WeedWeed

    eine gute sache das, er hat menschen getoetet, er

    wusste auch nichts von menschenrechte, und ist eine

    art genugtuung fuer die hinterbliebenen (ueber die

    selbstverstaendlich nicht berichtet wird, da taeter

    ist ja das opfer)

  • EM
    Ein Martin

    Na offensichtlich lässt es sich dann mit 4/5 lebenslangen Schuldgefühlen als Scharfrichter besser leben, als mit 5/5. Vielleicht halten die Schuldgefühle dann auch nur 4/5 des Lebens an und es geht darum, dass man ganz schuldfrei in Rente gehen kann. Aber vielleicht sollte man die Todesstrafe auch einfach abschaffen, dann wäre man nicht gezwungen sich immer solche seltsamen Schuldgefühlbefreiungsmethoden auszudenken.

    Ermordet durch den Staat trifft es. Aber wer sich tatsächlich freiwillig hinstellt, um irgendeinem seit Jahren wartendem Gefangenen das Licht auszuknipsen, hat ebenfalls nicht alle Latten am Zaun. Einfach nur pervers.

  • P
    peter

    Berichtet lieber mal über den kleinen Jungen den die Taliban gehängt haben.

     

    Aber nein ihr habt recht, es ist wichtiger auf den Fall eines zum Tode verurteilten mehrfach Mörders hinzuweisen damit es gegen die USA geht. (Ironie)

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Da sieht man mal wieder, was die Vereinigten Staaten unter Demokratie verstehen: Mord, Folter, Massenmord.

  • 3
    321321

    Wieso schießen sie auf sein Herz und lassen ihn Todesqualen erleiden, wenn sie genauso gut auf seinen Kopf zielen könnten?

    Da war ja der Genickschuss in der DDR "humaner".

  • O
    Oranje

    Todesstrafe ist barbarisch, ohne Frage. Aber Kinderschänder frei rumlaufen lassen, wie es in Deutschland passiert, ist genauso barbarisch.

  • H
    haus

    Wenn der Westen sich in seiner vermeintlichen Menschenrechtsbekenntnis gegen Islamistische Gesellscahften wendet und Kriege führt um zb in Afghanistan Frauen vor der Strafe der Steinigung zu schützen, ist das nichts weiter als heuchelei, sollange diese wesltiche INvasoren in ihren eigenen Rechtssystemen die Strafe des ermordens von menschen erlauben.

    Es gibt ein unveräuserliches recht jedes Menschen zu leben. Sollange die USA das nicht einsieht, wird sie keine Demokratie, kein Rechtsstaat sein, und jeder mit ihr paktierender Staat macht sich mitschuldig.

  • CK
    Christian Kriegsmann

    Dieses Land ist so wiederlich. "Man soll ja nicht in oberflächlichen anti-amerikanismus verfallen, aber meiner ist gar nicht oberflächlich."

    Ich kann wirklich nicht verstehen, wie ganz Europa bis heute im moralischen Windschatten dieses Supertankers auf Kollisionskurs Formation fährt.

     

    Schöne neue Welt....

  • S
    stabil

    "Der Stuhl auf dem [...] Gardner erschossen wird"

    Hier wird schon hart an der Bewerbung für die BILD-Redaktion gearbeitet, hmm?

  • MF
    Michael Flurer

    Amerika - ein rückständiges Land. Und der Bevölkerung ist es egal.

  • BV
    Berliner Vanille

    Interessant, ich glaube von all den genannten Todesmöglichkeiten würde ich persönlich auch die Erschießung wählen. Ausgerechnet die gibt es jetzt nicht mehr, Utah werde ich meiden.

     

    Mal eine Frage an die Experten, ist man bei Treffern ins Herz eigentlich sofort tot, oder dauert es einen Moment, bis der Sauerstoff im Gehirn zur Neige geht, wenn der Kreislauf aussetzt?