Bedrohte Jugendzentren in Berlin: „Ich versuche den Laden zu retten“
Das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum Berlins wird verdrängt. Was bedeutet es, wenn man sein zweites Zuhause verliert? Eine Aktivistin erzählt
Zum ersten Mal im Drugstore war ich mit 14, vor sieben Jahren. Ich bin in Friedenau aufgewachsen, mit den Leuten aus meiner Schule konnte ich nie besonders viel anfangen. Die hatten ganz andere Interessen, das war auch alles ziemlich elitär. Ich habe mich schon immer für Politik interessiert. Das liegt wahrscheinlich auch an meinen Eltern, die auch ziemlich links sind. Jedenfalls hatte ich da gerade ein paar neue Leute kennengelernt, und einer hat mich dann an einem Sonntag mit in den Drugstore genommen, zum Katerkino, das gibt es immer sonntagabends.
Als ich da rein bin, hat sich das erst mal angefühlt wie eine Zeitreise: Es sah so aus, wie ich das aus Filmen über die Achtziger kannte. Ich wusste überhaupt nicht, dass es solche Orte wirklich gibt.
Ich habe mich dann eigentlich sofort sehr wohlgefühlt da. Die Leute waren sehr offen, obwohl ich noch so jung war, konnte ich ganz schnell überall mitmachen. Das war ein riesiger Unterschied für mich im Vergleich zur Schule: Im Drugstore ist es nicht so, dass die Erwachsenen die Autorität haben und die Jugendlichen folgen müssen. Du wirst ernst genommen, egal wie alt du bist.
Ich habe dann mitgeholfen, Veranstaltungen zu organisieren, bin da ziemlich schnell so reingerutscht und wurde dann auch bald Teil des Drugstore-Kollektivs. Am Wochenende war ich immer beide Abende da, unter der Woche auch noch mal mindestens zwei, bis 22 Uhr halt, dann musste ich zu Hause sein. Ich habe meiner Mutter erzählt, was das für ein Ort ist, und sie fand das gut, auch dass ich da schon so viel Verantwortung übernehmen konnte.
Das Problem Bis zum 3. Januar müssen die beiden selbstverwalteten Jugendzentren Potse und Drugstore in der Potsdamer Straße 140 ihre Räume übergeben. 2008 war das ehemals städtische Gebäude an Investoren verkauft worden. Neuer Mieter ist ein bereits im Haus ansässiges Coworking-Unternehmen. Es gibt zwar Ersatzräume, diese liegen allerdings in einem Wohnhaus und sind deutlich kleiner.
Der Protest Am Samstag wird unter dem Titel "Let's Get United" für den Erhalt von Potse und Drugstore sowie anderer bedrohter Berliner Projekte demonstriert. Los geht es um 14 Uhr am Rathaus Schöneberg. (mgu)
Ich habe also schon damals viel Zeit im Drugstore verbracht. Aber seit 2015, als es losging mit dem Gezerre um unsere Räume, bin ich eigentlich jeden Tag damit beschäftigt, das ist ein Vollzeitjob. Wir sind so 7,8 Leute, die das stemmen: Verhandlungen mit dem Bezirk, Gespräche mit Politikern, Pressearbeit. Ich hab 2015 Abi gemacht, viele aus meinem Jahrgang sind dann erst mal ins Ausland. Ich versuche hier den Laden zu retten.
Am Anfang, als das mit den Verhandlungen losging, war ich tierisch aufgeregt. Ich dachte, da sitzen jetzt Politiker, die haben so viel Macht. Mittlerweile haben wir gemerkt, dass die gar nicht so viel Macht haben. Uns jedenfalls können sie offenbar nicht helfen.
Uns waren ja eigentlich zwei Räume versprochen worden: In der Potsdamer Straße 134 und 140, in der 140 hätte es die Möglichkeit für Konzerte und Bandproben gegeben. Im Oktober hieß es dann auf einmal, dass es für die 140 andere Interessenten gebe. Das war ein Schock für uns. Ich war so wütend, denn vorher hieß es immer, das sei quasi alles schon in trockenen Tüchern.
Wir haben dann recherchiert und festgestellt: Da soll die Landesfinanzschule einziehen. Der Eigentümer ist ja die BIM [Berliner Immobilien Management, hundertprozentige Tochtergesellschaft des Landes Berlin, Anm. d. Red.]. Das hat uns eigentlich wieder Hoffnung gegeben: Eine Finanzschule, die kann doch auch in ein Wohnhaus, im Gegensatz zu uns, und wenn das Landessache ist, dann gibt es da doch politische Einflussmöglichkeiten. Aber nix. Bisher sagen uns alle, dass da nichts zu machen sei. Der Finanzsenator hat offenbar kein Interesse an einer Lösung. Kein Interesse an uns.
Gerade in den letzten Jahren sind wir alle total zusammengewachsen. Das war ja auch eine Achterbahnfahrt in den letzten drei Jahren, immer zwischen schlechten und guten Nachrichten hin und her, das schweißt zusammen. Und wenn du schon fünf Stunden zusammen auf Plena sitzen musst, dann ist es besser, sich auch gut zu verstehen (lacht). Gerade ist unsere Perspektive, in Kisten verpackt in Lagerräumen abgestellt zu werden. Das fühlt sich nicht gut an. Selbst wenn die neuen Räume in einem halben Jahr fertig sind, weiß ich nicht, wie das werden soll. Wir machen 2,3 Konzerte die Woche, und sonst ist Cafébetrieb. In unseren zwei Proberäumen wird 6,7 Tage die Woche geprobt. Wenn das nicht mehr geht, ist ein Großteil unseres Angebots weg.
Es kommen auch immer neue Leute in den Drugstore. Gerade haben wir eine große Clique von Jugendlichen, 14 bis 17 Jahre, die hängen im Sommer im Park ab und kommen im Winter zu uns. Die erinnern mich ziemlich an uns damals. Manchmal fragen mich Leute von anderen Einrichtungen: Wie macht ihr das, dass ihr die Jugendlichen motiviert, bei euch mitzumachen? Ich sag dann immer, ich muss die gar nicht motivieren. Ich mach einfach, irgendwann macht wer mit, und dann machen sie’s bald alleine. So wie ich damals halt.
Unsere Räume sollen von Rent24 übernommen werden, die sind jetzt schon unsere Nachbarn. Co-Working und Co-Living ist deren Konzept. Du kannst dich zu Hotelpreisen einmieten, aber sie machen einen auf WG, mit Partys auf dem Dach und so. Das ist darauf ausgerichtet, dass du den Ort, an dem du arbeitest, so wenig wie möglich verlässt. Wenn ich so leben müsste, ich würde durchdrehen.
Uns verleugnen die einfach und tun so, als gäbe es uns nicht. Die Tür zu unserem Hausflur, der ja ziemlich bunt ist, haben sie mit so Milchglasfolie überklebt, damit sie das nicht sehen müssen. Aber die Saftbar, die nebenan eröffnet hat speziell für diese Leute – genau wie der neue Cupcake-Laden und der Suppenladen in der Straße –, die hat extra einen Street-Art-Künstler angeheuert, damit er ihnen die Wände gestaltet. Und das wird dann als das kreative Berlin vermarktet.
Bisher gab es immer in letzter Minute doch noch die gute Nachricht. Darauf hoffe ich jetzt auch die ganze Zeit. Wir sind das älteste selbstverwaltete Jugendzentrum Berlins, uns gibt es seit 1972. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das aufhört.
Soso ist 21 und studiert seit diesem Semester Soziale Arbeit in Berlin. In der Zeitung will sie nur ihren Spitznamen veröffentlichen
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