: Beck gegen Religionsdatei
Ausländerbeauftragte Beck hält Sicherheitsmaßnahmen für nötig. Nein zur Speicherung der Religionszugehörigkeit. SPD-Linke kritisieren das Schily-Paket II
BERLIN taz ■ Marieluise Beck will „nicht bestreiten“, dass nach dem 11. September neue Maßnahmen zur inneren Sicherheit „dringend notwendig“ seien. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung warnte jedoch gestern vor negativen Folgen. „Die Maßnahmen laufen Gefahr“, sagte Beck, „als gegen die Muslime im Allgemeinen missverstanden zu werden.“ Wenn sich der Eindruck verfestige, dass Muslime unter einen „Generalverdacht“ fallen, werde dies die „mühsam errungenen Integrationserfolge“ ernsthaft gefährden. Beck stellte sich hinter umstrittene Maßnahmen wie Rasterfahndung und Aufhebung des Religionsprivilegs, mahnte aber „mehr Sensibilität“ bei deren Umsetzung an.
Einen Punkt des Sicherheitspakets von Innenminister Otto Schily (SPD) lehnte die Grüne ausdrücklich ab: Die geplante Aufnahme der Religionszugehörigkeit im Ausländerzentralregister. „Das halte ich für äußerst prekär“, sagte Beck. „Mir läuft ein Schauer über den Rücken, wenn Religionszugehörigkeit in Deutschland wieder zu einem Erkennungsmerkmal wird.“ Bei Muslimen gebe es keine „weitgehend alle Gläubigen umfassende Mitgliedschaft wie in den christlichen Kirchen“, eine eindeutige Zuordnung sei also gar nicht möglich. Die Religionszugehörigkeit könnte nur auf freiwilligen Angaben oder über dritte Quellen indirekt erschlossen werden: „Beides sind äußerst unzuverlässige Wege.“
Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, bekundete gestern nochmals seine Bereitschaft, die Sicherheitsmaßnahmen zu unterstützen. „Wir sind bereit, Unannehmlichkeiten hinzunehmen“, sagte Elyas in Berlin. Er habe ausdrücklich dafür geworben, auch für die Rasterfahndung Verständnis zu zeigen. Inzwischen drohe aber bei vielen Muslimen das Vertrauen in die Behörden zu schwinden. Einige Menschen seien mitten in der Nacht zum Verhör abgeholt worden oder ohne ersichtlichen Grund zwei bis drei Tage festgehalten worden, berichtete Elyas. Immer wieder gerieten völlig unbeteiligte und unbescholtene Bürger in Verdacht. Verbote von islamistischen Vereinen hält Elyas für richtig, warnt aber: „Moscheen dürfen auf keinen Fall geschlossen werden.“ Um einer weiteren „Gettoisierung“ und einer Zunahme von extremistischen Einstellungen entgegen zu wirken, forderte Elyas von der Regierung „vertrauensbildende Maßnahmen“ gegenüber den Muslimen.
Der Innenminister setzte gestern erst einmal ein anderes Zeichen: Schily sagte im Bundestag, er stimme mit der Forderung der Union überein, die Regelausweisung von Ausländern auszuweiten. Die Landesregierungen von Bayern (CSU) und Niedersachsen (SPD) werden schon heute im Bundesrat einen Antrag einbringen, das Ausländergesetz zu verschärfen, damit „alle diejenigen Ausländer ausgewiesen werden können, bei denen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sie den internationalen Terrorismus entweder direkt oder indirekt (. . .) unterstützen.“
Nach den Grünen äußerten erstmals auch SPD-Politiker öffentlich massive Vorbehalte gegen Schilys Sicherheitspaket II. Die Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, sagte in Berlin, durch Schilys Entwurf würden die Grundrechte nicht ausreichend gesichert. LUKAS WALLRAFF
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