: Beamte wollen jede Menge Kohle
■ Deutscher Beamtenbund fordert zehn Prozent mehr Lohn und Gehalt/ Öffentliche Arbeitgeber wollen ein Angebot „weit darunter“ machen/ Von allen Seiten weiter Kritik an Möllemann-Vorstoß
Hamburg (dpa) — Der Deutsche Beamtenbund (DBB) fordert eine Anhebung der Bezüge der Staatsdiener um mindestens zehn Prozent in diesem Jahr. DBB-Vorsitzender Werner Hagedorn bezeichnete eine Erhöhung in dieser Größenordnung als „unvermeidlich“. Der Einkommensrückstand der 1,6 Millionen Beamten betrage 14 Prozent. Über die genaue Höhe der Besoldungsforderung wollte der Beamtenbund am Sonntag nachmittag bei seiner Tagung in Bad Kissingen entscheiden.
Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) und die Kieler Finanzministerin Heide Simonis (SPD) — die Verhandlungsführer von Bund und Ländern in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst — forderten am Wochenende Augenmaß in der bevorstehenden Verhandlungsrunde. Bei allen Überlegungen müsse der Stabilität der Wirtschaft Vorrang eingeräumt werden, sagte Seiters. Simonis warnte die Gewerkschaft ÖTV, auf ihrer Forderung nach zehn Prozent mehr Lohn und Gehalt zu beharren. Das Angebot werde „weit darunter“ liegen. Sie schloß eine „Drei vor dem Komma“ nicht aus. Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, erklärte, wenn Arbeitgeber, Bundesregierung und Bundesbank mit dem Argument abflauender Konjunktur ein „Trommelfeuer gegen die Tarifforderungen“ eröffneten, wachse die Gefahr, daß die Konjunktur tatsächlich in den Keller geredet werde. Die Autonomie der Tarifpartner sei der beste Garant, auch die schwierigsten Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann forderte eine „drastische Kursänderung“ in der bevorstehenden Tarifrunde. „Es darf einfach nicht wahr werden, daß wir mit zu hohen Abschlüssen die Konjunktur abwürgen.“ Der 1992 zu erwartende Produktivitätszuwachs von zwei bis drei Prozent zeige den ökonomischen Rahmen auf, „in dem wir uns bei Tariferhöhungen zu bewegen haben“.
Auch am Wochenende hielt die Kritik an dem Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) an, vor einem Tarifabschluß für die Arbeiter und Angestellten der öffentlichen Dienste die Bezüge der Beamten per Gesetz um weniger als fünf Prozent anzuheben. Möllemann hatte sich davon eine Signalwirkung für die gesamte Tarifrunde versprochen.
Arbeitgeberpräsident Murmann und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinz-Werner Meyer, werteten den Vorschlag des FDP-Ministers als Eingriff in die Tarifautonomie. Auch Simonis sprach Möllemann das Recht ab, in die Tarifpolitik einzugreifen. Nach Einschätzung von Bonner Beobachtern läßt der Vorstoß Möllemanns, der von Innenminister Seiters in scharfer Form zurückgewiesen wurde, auf eine mangelnde Abstimmung im Kabinett schließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen