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Bayerns Knäste mittelalterlich

■ Bayerns Justizminister verweigert grünen Bundestagsabgeordneten Besuch in JVAs / „Explosive Stimmung“ in der JVA Straubing / Gefangene wurden als Versuchskaninchen für Psychopharmaka mißbraucht

Von Luitgard Koch

München (taz) - „Das ist schon ein mittlerer Skandal“, empörte sich der grüne Mitarbeiter der Bundestagsfraktion Martin Köhler auf der gestrigen Presskonferenz der Grünen über die Verhältnisse in bayerischen Knästen. Während bundesweit 12,6 Prozent der Gefangenen im offenen Vollzug sind, liegt Bayern mit 1,3 Prozent für das Jahr 1982 wieder einmal „vorn“. Obwohl 260 Plätze im offenen Vollzug existieren, wurden nur die Hälfte ausgenützt. Mehr Eindrücke über Bayerns Knäste konnte Martin Köhler nicht sammeln. Grund: Bayerns Justizminister Lang beschränkte die grüne „Tour de Knast“ auf die JVA Kaisheim und reduzierte auch die vorgesehene Begleitung durch grüne Landtagskandidaten. „Die Berufsbezogenheit ist nicht gegeben“, hieß es. Unter den abgelehnten Begleitern befand sich auch der grüne Landtagskandidat und Frankfurter Arbeitsrichter Hartmut Bäumer. „Daß durch die Anstalten manchmal sogar Schützenvereine geführt werden“, wußte der grüne Bundestagsabgeordnete Horst Fritsch zu berichten. Bei ihnen werde die Frage nach der „Berufsbezogenheit“ anscheinend nicht gestellt. Die JVAs Amberg, Straubing und Aichach durften nicht besucht werden. Für Straubing hat der Minister damit gar nicht so unrecht. Seit die Anstaltsleitung im Sommer gewechselt hat, spitzt sich die Situation dort zu. „Alle Gefangenen reden davon, daß es kocht wie in einem Hexenkessel“, so die grüne Landtagskandidatin Käthe Lieder. Für sie ist es nur eine Frage der Zeit, bis es in Straubing durch das repressive Verhalten des neuen Anstaltsleiters, Oberregierungsrat Otto (39), zur Revolte kommt. Gravierender ist jedoch, daß den Gefangenen in Straubing verstärkt Psychopharmaka gespritzt werden. „Der Verdacht erhärtet sich, daß dort Versuche mit Gefangenen angestellt wurden“, so Fritsch. Über die Nebenwirkungen der verabreichten Psychopharmaka werden die Gefangenen nicht aufgeklärt, weiß Käthe Lieder.

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