: Bayerische SPD kurz vor der Runderneuerung?
■ Grüner SPD-Überläufer Schily fordert sofortigen Rücktritt des SPD-Spitzenkandidaten Hiersemann/ Sein Vorschlag: Klaudia Martini/ Mit Renate Schmidt als Chefin würden dann zwei Frauen in der bayerischen SPD den Ton angeben
München (taz) — Seit dem vergangenen Wochenende rührt sich etwas in der bayerischen SPD. Nachdem der „Rote Rudi“, so der Spitzname des bayerischen SPD-Chefs, Rudolf Schöfberger, nach dem verheerenden Wahldebakel bei den bayerischen Landtagswahlen (siehe taz vom 22.10) seinen Rücktritt angekündigt hat, wird der Ruf nach einem Wechsel auch an der SPD-Fraktionsspitze innerhalb der SPD immer lauter. SPD-Spitzenkandidat, Karlheinz-Hiersemann, klebt jedoch am Sessel. Für die nächsten Landtagswahlen will der Franke nach seinem zweimaligen Scheitern zwar nicht mehr kandidieren, den Fraktionsvorsitz möchte der gelernte Rechtsanwalt jedoch ungern einem anderen Genossen oder gar einer Genossin überlassen.
Als erster forderte der schwäbische SPD-Listenführer, Herbert Müller, personelle Konsequenzen. „In aller Freundschaft und Solidarität“ empfahl gestern auch der grüne Überläufer, Otto Schily, der sich als SPD-Bundestagskandidat in München Land ein Direktmandat holen will, Hiersemann den Rücktritt. Hiersemann habe zwar „geackert und gerackert“, aber er trage auch die Mitverantwortung für das Ergebnis dieser Wahl. „Das Kokettieren mit einer großen Koalition und die unklare Haltung zum ,Besseren Müllkonzept‘, das waren alles Handikaps für die bayerische SPD“, kritisierte Schily.
Beim von der bayernweiten Bürgerinitative „Das bessere Müllkonzept“ erfolgreich initierten Volksbegehren machte die bayerische SPD, allen voran Hiersemann, eine besonders schlechte Figur. Statt das Bürgervotum ernst zunehmen mauschelten die Sozis mit der CSU und arbeiteten zunächst zusammen mit den Schwarzen ein angeblich „noch besseres Müllkonzept“ aus. In letzter Sekunde jedoch schwenkten sie vor den Wahlen wieder um und gaben vor, die Bürgerinitiative nun doch zu unterstützen. Die SPD, so forderte Schily, müsse jetzt eine klare Oppositionsrolle mit klaren Gegenpositionen zur CSU spielen. Mit der CSU um die bessere Folklore zu wetteifern, damit sei die SPD nicht gut beraten.
„Klaudia Martini wäre ein sehr gutes Gegenprofil gegen den Mann aus dem Wachsfigurenkabinett“, verriet Otto Schily gestern seine Favouritin.
Die schwäbische SPD-Unterbezirksvorsitzende aus Neu-Ulm, die mit über 36 Prozent das beste Erststimmenergebnis aller schwäbischen SPD-KandidatInnen erhalten hat, und die im vergangenen Jahr beinahe zur neuen Oberbürgermeisterin in Neu-Ulm geworden wäre, hatte sich bereits vergangene Woche zu Wort gemeldet und ebenfalls Hiersemanns Rücktritt gefordert. Sie selbst könne sich ein Amt in der SPD-Führungsmannschaft nur vorstellen, „wenn die Leute zusammenpassen“.
Mit der 39jährigen Klaudia Martini würde die SPD auch für junge Menschen wieder attraktiv, hofft Schily. Seit gestern Nachmittag beraten die Genossen im Landtag. Heute kommt es zur Wahl. Ob dann vielleicht Klaudia Martini als Fraktionsvorsitzende und Renate Schmidt demnächst als SPD-Chefin den Ton angeben ist noch nicht sicher. lui
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