: Bauchtanz im Therapiekeller
■ Prenzlauer Bergs EWAs proben den Sündenfall / „Lieber nach dem Apfel strecken als nach dem Kohl beugen“ / Improvisierte Gründungsparty des Frauenzentrums
Prenzlauer Berg. Während in der Schönhauser Allee und am Alex besoffene Skinheads den „Führer„-Geburtstag „feierten“, trafen sich am Freitag in der Prenzlauer Allee 6 rund 200 (Ost-)BerlinerInnen, um das „1. Frauenzentrum Prenzlauer Berg“ einzuweihen. Das Frauenzentrum vereint mehrere Projekte einzelner Frauengruppen: EWA - Erst Weiblicher Aufbruch, Sofi - Sozialistische Frauen Initiative, Lilo - Lila Offensive, SHIA - Selbsthilfeinitiative Alleinerziehender, Lisa - Linkssozialistische Alternative.
Im Erdgeschoß wird als zentraler Konsultations-, Anlauf und Treffpunkt ein Frauen- und Kindercafe mit Lese-, Spiel und Infoecken (einschließlich Therapiekeller für Selbsthilfe und -erfahrung) entstehen. Das zukünftige Galerie-Cafe, in dem alle öffentlichen Veranstaltungen der Frauengruppen stattfinden werden, ist wirtschaftliches Standbein des Projekts. Denn das Haus ist zwar erkämpft, aber über die Finanzierung zum Beispiel der Miete ist frau sich mehr als unklar.
Zur Zeit könne sie sich hier nur deshalb so engagieren, weil sie einen Mann hat, der das Geld verdient, erzählt EWA -Initiatiorin Gisela Koch (50), diplomierte Kunstwissenschaftlerin. Mitaktivistin Silke Bach (27), diplomierte Philosophin, erhält Sozialhilfe, die sie voll ins Projekt einbringt. Im fünften Obergeschoß des Hauses (ehemalige Zehn-Zimmer-Wohnetage der Stasi) sollen Beratungsstellen, eine Frauen-Bibliothek, eine Frauen -Werkstatt und ein soziales Kontakttelefon entstehen.
Während die EWAs den Schwerpunkt ihrer Arbeit in sozial -praktischer Hilfestellung zur Durchsetzung von Frauen -Interessen sehen, organisieren sich die Lesben bei Lilo zum Bildungsprojekt Feminismus. SHIA, die einzige Gruppe, in der auch Männer zugelassen sind, will Selbsthilfe für Alleinerziehende anbieten.
Alle Vertreterinnen betonen immer wieder ihre Bereitschaft, gemeinsam mit den anderen Frauengruppen an der Schaffung öffentlichen Bewußtseins für ihre Probleme zu arbeiten. In solidarischer Zusammenarbeit wollen sie die Männer -dominierten Machtstrukturen der noch-DDR zugunsten von Frauen-Interessen aufweichen. Und das auch zusammen mit den Schwestern aus der westlichen Femi-Szene.
Jugendsenatorin Anne Klein hatte dann auch ihre persönliche Referentin Ika Klar mit Blume vorbeigeschickt, auf daß alles blühe und gedeihe... „Es ist nichts von Dauer“, sang dazu Gerlinde Kempendorff. In betulich-angestrengter Atmosphäre tauschte frau sich bei selbstgemachtem Kartoffelsalat über anstehende Aktionen und Termine aus, beispielsweise die Walpurgisnacht auf der „Insel der Jugend“ in Treptow.
Als kulturelles Highlight bauchtanzte dann eine Frau aus Kasachstan, um anschließend gleich Interessentinnen für ihre Selbsterfahrungsgruppe im Therapiekeller zu werben.
Eike Sanders
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