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Baubranche steckt fest in der Existenzkrise

■ 1997 werden voraussichtlich 80.000 Arbeitsplätze abgebaut. Bauindustrie rechnet mit 8.500 Konkursen

Bonn (dpa/rtr) – Die Bauwirtschaft steckt 1997 weiterhin in einer tiefen Krise. Voraussichtlich werden in diesem Jahre weitere 80.000 Arbeitsplätze in der Branche abgebaut. Rund 8.500 Konkurse sind ebenfalls zu erwarten. Diese Negativzahlen präsentierte gestern in Bonn Otmar Franz, Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie.

Hauptursachen dafür seien die schwache Baunachfrage sowie die anhaltende Konkurrenz ausländischer Niedriglohnunternehmen. Das Ende des konjunkturellen Abschwungs, so Franz, werde „erst im Verlauf des Jahres 1998 erreicht sein“. Mit einer Stabilisierung der Bautätigkeit auf niedrigstem Niveau rechnet der Hauptverband allerdings nur für die westlichen Länder der Bundesrepublik. In den neuen Ländern dagegen werde sich der Abschwung 1998 sogar weiter fortsetzen, da dort die Investitionen real um drei Prozent zurückgehen würden. Der Auftragseingang im Baugewerbe ist allein im ersten Quartal dieses Jahres um 7,6 Prozent zurückgegangen; im Verlauf des gesamten Jahres rechnet der Verband mit einem Rückgang der Bauinvestitionen von 1,4 Prozent im Westen und 3,2 Prozent im Osten.

4.500 Betriebe sind im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie organisiert. Sie setzen sich, so machte Otmar Franz deutlich, auch für eine Verlängerung der Mindestlohnregelung auf deutschen Baustellen über den August 1997 hinaus ein. Derzeit müssen Bauarbeiter mindestens 17 Mark (West) beziehungsweise 15,64 Mark (Ost) pro Stunde erhalten. Laut Franz hat der Mindestlohn den Personalabbau in den vergangenen acht Monaten zumindest gebremst.

Die Arbeitgebervereinigung begrüßte die Pläne der Bonner Koalition für eine große Steuerreform. Franz mahnte allerdings an, daß es bei den geplanten Nettoentlastungen der privaten Haushalte bleiben müsse. Anders seien die gewünschten Effekte in der Bildung von Wohnungseigentum nicht zu erzielen. Bisher können lediglich in den ersten Jahren von Bauherren bis zu fünf Prozent steuerlich abgeschrieben werden. Der Gesetzentwurf der Koalition sieht vor, daß künftig jährlich stets zwei Prozent an Abschreibung geltend gemacht werden dürfen.

Mit Blick auf einen baldigen Tarifabschluß für die ostdeutsche Baubranche sagte Verbandschef Franz, Hauptziel der Arbeitgeber sei – nach dem Vorbild des Abschlusses in der Chemieindustrie –, über Öffnungsklauseln im Tarifvertrag Vereinbarungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern zu ermöglichen. Nur so könne dem Wegfall von weiteren zigtausend Arbeitsplätzen begegnet werden.

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